An der Ostsee viel Neues

An der Ostsee viel Neues


An der deutschen Ostseeküste steigt die Nachfrage nach Luxusimmobilien, vielerorts wird gebaut.

An der deutschen Ostseeküste steigt die Nachfrage nach Luxusimmobilien, vielerorts wird gebaut. Alle Anzeichen deuten auf einen langfristigen Trend hin. An einigen Stränden schlummerten noch bis vor Kurzem Kleinode, die nun gerade entdeckt werden.

Text: Felix Ehring, Foto: Tourismuszentrale Rügen

Schon Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann entschloss sich, auf Hiddensee ein Haus zu kaufen, weil ihn der Zauber der Insel jedes Mal „verjünge“, wie er schrieb. Als Hauptmann sich 1933 nach einer passenden Immobilie umsah, gab es vermutlich nicht viele Mitbewerber. Das ist in diesen Tagen ganz anders geworden. Die Ostseeküste zwischen Flensburg und Greifswald ist zunehmend gefragt. „Lange konnte man in Spanien und anderen südeuropäischen Ländern mit Immobilien viel bessere Renditen erzielen als in Deutschland“, sagt Ralph Henger, Experte für Immobilienmärkte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „Dann ist die Immobilienblase 2008 im Süden geplatzt“, erinnert Henger. Das hätten viele noch im Hinterkopf. Plötzlich rückte die stabile Heimat in den Blick, es war auch für den Ostseeraum der Startschuss.

Küstenimmobilien sind begehrt wie nie

Während sich andere Märkte mittlerweile verschlechtert hätten, sei der deutsche Markt nach wie vor aufstrebend. Die Wiederentdeckung der Ostsee spiele dabei eine wichtige Rolle. „In den Toplagen war das in den letzten Jahren eine ganz sichere Investition“, so Henger. Viele Käufer kämen aus den nahe gelegenen Metropolen Berlin und Hamburg, deren Wachstum und zunehmender Wohlstand sich auf die Begehrlichkeit küstennaher Immobilien auswirke. Diese These belegen auch die Investitionen im großen Stil, die vor allem in Filetstücke fließen: Luxushotels, Villen, Penthäuser. Meernähe ist dabei der wichtigste Standortfaktor.

Dornröschenschlaf ist zu ende

Ein Sinnbild des Booms ist Prora, ein Ortsteil von Binz auf Rügen. Hier dämmerte lange der „Koloss von Prora“ vor sich hin, eine gigantische Ruine aus der Zeit des Nationalsozialismus, viereinhalb Kilometer lang. Nach der Wende konnte man hier günstig Urlaub machen. Heute wird ein Block nach dem anderen hochwertig restauriert und verkauft. Mit Terrassen, Dachterrassen oder Balkons – und bester Meerlage. Die Kaufpreise liegen bei 4000 bis 10 000 Euro pro Quadratmeter. Auch weiter westlich im Kaiserbad Heiligendamm wecken Investoren historische Gebäude aus dem Dornröschenschlaf, zum Beispiel mit dem exklusiven Projekt Private Residenzen Heiligendamm: Nach und nach werden sieben klassizistische Logierhäuser grundsaniert, ein historisches Ensemble direkt am Meer. Zum Verkauf stehen Wohnungen zwischen 70 und 200 Quadratmetern zu Preisen ab 1,2 Millionen Euro, viele große Apartments sind schon verkauft.

 

Wiederentdeckung der Ostsee

Auch die Infrastruktur ist auf die neuen Besitzer ausgerichtet: Ein Gourmetrestaurant bittet in unmittelbarer Nachbarschaft zu Tisch. Es gibt weitere Leuchtturmprojekte entlang der Küste, die mal steil ist, mal sanft abfällt, teilweise mit Sand so weiß wie in der Karibik und Sehnsuchtsorten wie dem oft gemalten Ahrenshoop. Marktberichte der großen Makler und Gespräche mit Experten zeigen: Besonders gefragt sind Rügen, Heiligendamm, der Darß und die Lübecker Bucht. Die Kaufpreise hier sind in den vergangenen Jahren gestiegen, Ein- und Zweifamilienhäuser in Premiumlage waren demnach zuletzt in der Lübecker Bucht am teuersten, vor allem in Timmendorfer Strand und Scharbeutz – mit einer großen Preisspanne von 700 000 bis 3,9 Millionen Euro. Das hält der Immobilienhändler von Poll in seinem aktuellen Marktbericht zu Ferienimmobilien fest.

Preissteigerungen haben sich beruhigt

Dort heißt es: „Villen und Reetdachhäuser an der Ostsee gehören zu den beliebtesten Feriendomizilen in Deutschland. Auch Eigentumswohnungen in direkter Wasserlage werden aktuell stark nachgefragt.“ Eigentumswohnungen kosteten demnach in Rostock-Warnemünde durchschnittlich am meisten, bis zu 12 500 Euro pro Quadratmeter. An der Nordsee sind vergleichbare sehr gute Lagen meist teurer. Der aktuelle Marktbericht von Engel & Völkers zeigt: Auch die Mindestpreise pro Quadratmeter liegen an der Nordsee deutlich höher als im Osten. Der Makler Tom Hübner ist Eigentümer der Immobilienliebling GmbH aus Rostock. Er analysiert nordisch nüchtern: Ab 2010 ging es rapide aufwärts, mit Preissteigerungen von circa zehn Prozent in den ersten Jahren.“ In den vergangenen Jahren hätten sich die Steigerungen „beruhigt“, doch ein bis drei Prozent pro Jahr beobachte er weiterhin.

Ostseetourismus boomt weiterhin

Hübner ist auch in Warnemünde tätig. Als Gründe für die gehobenen Preise dort nennt er die schnelle Anbindung nach Berlin – mit vergleichsweise geringer Staugefahr. Hinzu komme Warnemündes lange Tradition als Ostseebad mit dem gewissen Flair. Ein weiterer Vorteil sei die Nähe zu Rostock mit seinen Einkaufsmöglichkeiten. Diese Nähe bietet auch das Seebad Diedrichshagen, das an Warnemünde angrenzt. Der Makler Frank Streeck, Leiter der Von-Poll-Geschäftsstelle in Rostock, sagt: „Diedrichshagen bietet stilvolle Häuser, gute Restaurants und einen Strandabschnitt, der einem auch im Sommer Luft zum Atmen lässt.“ Der Blick in die Nachbarschaft der Hotspots lohnt also. Der Ostseetourismus legt jedes Jahr zu – beste Aussichten für Vermieter. Immer mehr Übernachtungsgäste suchen nach Unterkünften. Die Anzahl der Urlaubsgäste steigt in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren. 2016 wurde erstmals die Grenze von 30 Millionen Übernachtungen geknackt, im Jahr 2001 waren es 21 Millionen – ein enormer Anstieg.

Politische Krisen begünstigen Zuwächse

Der Zuwachs hängt mit der stetigen Modernisierung zusammen. Strandpromenaden wurden aufwendig und familienfreundlich renoviert, zunächst in Mecklenburg-Vorpommern, später auch an der schleswigholsteinischen Ostseeküste. Barrieren für Menschen mit Behinderungen wurden verringert, mehr Bootsanleger geschaffen, Radwege ausgebaut. Freizeitsportler finden mehr Platz zum Segeln oder Reiten als mancherorts an der Nordsee. Zunehmend setzt das Tourismusmarketing auch auf ausländische Urlauber und hat damit Erfolg. Immer mehr Gäste kommen aus den Niederlanden, der Schweiz, Dänemark, Schweden und Österreich. Und nicht zuletzt verursachen politische Krisen in Ländern wie der Türkei, Ägypten oder Tunesien Zuwächse.

Attraktivität in der Nebensaison wichtig

Mit Blick auf Ferienhäuser und -wohnungen sagt Makler Hübner: „Saison kann jeder, aber saisonverlängernd trennt sich die Spreu vom Weizen.“ Diese Entwicklung beobachtet auch Gernot Moegelin, geschäftsführender Gesellschafter des Immobilienunternehmens KapHag Architektur und Bau Gesellschaft mbH aus Berlin, das derzeit auf Rügen ein Apartmenthaus mit Spabereich auf dem Dach realisiert. Bei hochwertigen Immobilien in sehr guten Lagen sieht Moegelin einen Trend zu größeren Ferienwohnungen – mit zwei und mehr Schlafzimmern und angeschlossenen Bädern. Er sagt: „Kaufinteressenten suchen vermehrt Objekte mit Spabereich, Restaurant und hotelähnlichen Serviceleistungen, weil solche Angebote das Vermieten erleichtern.“ Ein Hallenbad und Wellnessangebote steigerten die Attraktivität auch in der Nebensaison, gibt Moegelin zu bedenken. Denn die Ostsee mag noch so schön sein, eine Garantie für gutes Wetter gibt es nicht.

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