Andreas Keßler: Plädoyer für selbstbestimmte Mobilität

Andreas Keßler: Plädoyer für selbstbestimmte Mobilität


Seine Expertise für Automobile hat ihn bundesweit bekannt gemacht: Andreas Keßler. Der „Autopapst“ widmet sich jedoch nicht nur den technischen Aspekten der Mobilität. Vielmehr treibt ihn die Frage um, wie in Berlin und anderen Metropolen der Spagat zwischen Allgemeinwohl und individueller selbstbestimmter Mobilität gelingen kann.

Seine Expertise für Automobile hat ihn bundesweit bekannt gemacht: Andreas Keßler. Der „Autopapst“ widmet sich jedoch nicht nur den technischen Aspekten der Mobilität. Vielmehr treibt ihn die Frage um, wie in Berlin und anderen Metropolen der Spagat zwischen Allgemeinwohl und individueller selbstbestimmter Mobilität gelingen kann.

Text: Anke Bracht, Foto: Messe Berlin / Volkmar Otto, Erscheinungsdatum: 14. Juli 2020

„Mobilität war schon immer mein Ding“, sagt Andreas Keßler. Seit frühester Jugend hat er sich damit befasst, hat an Mopeds geschraubt, „Rostbrocken über den TÜV geschweißt“ und mit dem Export von Luxusautomobilen sein Studium finanziert. Gerade kommt er mit seiner Familie von einem Wochenendausflug aus Weimar zurück. Die autofreie Innenstadt, freie Sichtachsen auf historische Gebäude, gemütliches Flanieren ohne Straßenlärm – all das habe ihn begeistert, sagt der studierte Maschinenbauingenieur. Und schon ist er mitten drin im Thema. „Ich bin ein begeisterter Autofahrer“, sagt Andreas Keßler, „insofern mag es komisch klingen, wenn ich sage: Mit den Blechlawinen in Berlin und anderen Großstädten geht es so nicht weiter. Sie müssen raus aus den Metropolen.“

Er liebt den Sprung ins kalte Wasser

Der Mann, der bundesweit als „Autopapst“ bekannt ist, wächst im Westen des geteilten Berlins auf und arbeitet nach seiner Ausbildung einige Jahre bei Siemens, bevor er durch Zufall 1988 in die Theaterszene gerät. Berlin ist in jenem Jahr Kulturstadt Europas und Keßler wird technischer Assistent des begleitenden Kulturfestivals. Fünfzehn Jahre wird er in der Branche tätig sein, davon die meisten als technischer Leiter. Ein Kontakt aus dieser Zeit bringt ihn zum Rundfunk, man sucht händeringend einen Moderator für eine Autosendung. Wieder springt er ins kalte Wasser; ihm bleiben nur wenige Tage bis zur ersten Livesendung. „Das war ein interessantes Konzept“, sagt Keßler, „ein reines Talk-Radio, das gab es so in Berlin noch nicht. Hat leider gefloppt.“ Das Format verschwindet, aber Keßler bleibt beim Rundfunk. Als die Berliner Morgenpost einen großen Beitrag über ihn bringt und mit „Autopapst“ titelt, hat er seinen Namen weg. Der Wellenchef bei Radio1 ist begeistert, sieht die Chance, daraus eine Marke zu machen. Der Rundfunkrat zeigt sich kritisch, hält aber die Beine still – und der Autopapst begeistert fortan mit Expertise und viel Humor seine Hörerschaft.

Neue Konzepte für die Mobilität in Ballungszentren

Heute bringt Andreas Keßler sein Wissen in den von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer initiierten „Parlamentskreis Automobiles Kulturgut ein“ und debattiert auch sonst mit Vertretern aus Politik, Handwerk und Versicherungsbranche die Zukunft der Mobilität – insbesondere für Metropolen wie die deutsche Hauptstadt. „Wir müssen handeln“, sagt Keßler, „in den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Pkw in Berlin um 100.000 Stück gestiegen, in diesem Jahr sind bislang 29 Radfahrer in der Stadt tödlich verunglückt. Wir müssen das Konzept einer stadt- und menschengerechten Mobilität neu denken. Mit Verboten funktioniert das aber nicht.“ Keßler ist überzeugt: „Es gibt kein anderes Konzept, das selbstbestimmte, individuelle Mobilität in der Qualität bietet wie das Auto. Damit sich das ändert, kommt es darauf an, die vorhandenen Mobilitätssysteme – unter Einbeziehung des Autos! – intelligent miteinander zu vernetzen.“

Was könnte eine „Mobility-Flat“ leisten?

Um Ballungsräume zu entlasten, sieht er einen Ansatz bei den Pendlern – in Berlin sind es 350.000, die täglich in das Umland fahren und wieder zurück. „Corona hat gezeigt, dass Arbeiten im Homeoffice funktioniert. Dadurch könnte die Zahl der Pendelnden dauerhaft reduziert werden.“ Weiteres Potenzial sieht Andreas Keßler in der Nutzung von Wechselkennzeichen: mit dem kleinen, platzsparenden Auto in die Stadt, mit dem Familien-Van in den Urlaub. „Dazu müßte das Wechselkennzeichen aber nicht nur so heißen, sondern auch so funktionieren!“ Ideen, den knappen Verkehrsraum stumpf teurer zu machen, seien phantasielos. „Erfolgversprechender könnte eine „Mobility-Flat“ für jeden Metropolen-Bewohner sein, die Geld ins System spült, aber eine City-Mautkarte und die Nutzung des ÖPNVs beinhaltet. Doch das ist bis jetzt alles Theorie.“

Alternative Antriebe auf dem Prüfstand

Und was sagt der Autopabst zu alternativen Antrieben? Könnten auch sie ein Teil der Lösung sein? Das Thema E-Mobilität bewerte er eher skeptisch, sagt Andreas Keßler, auch wenn inzwischen viele Hersteller ein E-Fahrzeug im Angebot haben. „Wenn immer mehr Menschen elektrisch unterwegs sind, werden die Energieversorger nicht mithalten können, denn der Netzausbau kommt nicht hinterher. Zudem gibt es bislang kein Konzept, um Akkus zu recyclen. Außerdem sind E-Autos nicht nachhaltig, sie altern technisch. Wer will heute noch mit einem E-Auto fahren, das drei Jahre alt ist? Die Kisten sind schnell total überholt.“ Wasserstoff dagegen hält Keßler für einen guten Ansatz: „Wasserstoff ist ein idealer Energiespeicher. Man könnte den oft zur Unzeit im Übermaß produzierten Wind- und Sonnenstrom nutzen, um Wasserstoff herzustellen. Daraus läßt sich jedes Synfuel herstellen, mit dem sogar Verbrenner klimaneutral werden.“

Dass er mit seinen Ansichten auch schon mal aneckt, weiß der Autopabst, doch das sieht er gelassen. „Mobilität ist ein Grundrecht“, sagt Andreas Keßler, „und eine moderne Gesellschaft sollte es schaffen, einen diskriminierungsfreien Zugang zu ermöglichen.“ Außerdem sei das Auto an sich ein Kulturgut. Doch das, sagt er und lacht, „ist nun wirklich ein ganz anderes Thema.“

Für alle Fragen rund um Ihr Vermögen steht Ihnen Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, telefonisch und per E-Mail zur Verfügung: Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de

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