Berlin, die neue Autostadt?

Berlin, die neue Autostadt?


Die Gründerszene Berlins kann mehr als Blockchain. Zusehends machen sich hiesige Startups auch in der Automobilbranche einen Namen. Drei Musterschüler und ihr Erfolgsgeheimnis.

Die Gründerszene Berlins kann mehr als Blockchain. Zusehends machen sich hiesige Startups auch in der Automobilbranche einen Namen. Drei Musterschüler und ihr Erfolgsgeheimnis.

Text: Patrick Lindner, Foto: Mathias Arlund/Unsplash

Spricht man über die Zukunft der deutschen Automobilbranche, schweift der Blick traditionell nach München, Stuttgart oder Wolfsburg. Doch bald könnte sich auch Berlin in der Riege jener Autohotspots positionieren. Nicht als Produktionszentrum, sondern als Impulsgeber für neue Geschäftsmodelle und Technologien. Eines der vielversprechendsten Startups der Hauptstadt ist die Gebrauchtwagen-Plattform Auto1. Das B2B-Unternehmen setzte 2017 rund 420.000 Fahrzeuge um und wurde Anfang des Jahres mit 2,9 Milliarden Euro bewertet. Damit gilt es als wertvollstes deutsches Startup der Gegenwart.*

Evolution statt Revolution

Anstatt in forschungsintensive Zukunftstechnologien zu investieren, versuchten die Gründer Hakan Coc und Christian Bertermann den Gebrauchtwagenhandel schlichtweg effizienter und günstiger zu machen. Partner-Händler können europaweit geprüfte Gebrauchtwagen von Auto1 erwerben, ihren Abverkauf über die Plattform steuern und seit kurzem sogar jedes angebotene Fahrzeug zu verbindlichen Preisen in Zahlung nehmen – alles aus einer Hand und ohne Risiko für den Händler.

Auch der Autoteileshop Autodoc will Nutzern seiner B2C-Plattform ein komfortableres Einkaufserlebnis ermöglichen. Aktuell werden knapp eine Million Produkte angeboten. In wenigen Klicks kann das gewünschte Ersatzteil aus dem Berliner Logistikzentrum in 25 europäische Länder geordert werden. Bei Fragen zur richtigen Auswahl steht ein mehrsprachiger Kundenservice parat. Auf dem Youtube-Kanal des Unternehmens finden sich zudem zahlreiche Tutorials zum Verbau der Ersatzteile. Die multimediale Community-Pflege und die niedrigen Preise überzeugen: Verzeichnete Autodoc 2015 noch einen Jahresumsatz von 60,5 Millionen Euro waren es im darauffolgenden Jahr bereits 118,5 Millionen.

Berlin meets Niederbayern

Im Vergleich zu Auto1 und Autodoc mutet das Geschäftsmodell des Berliner Startups door2door geradezu abstrakt an: Die Gründer Tom Kirschbaum und Maxim Nohroudi wollen den öffentlichen Nahverkehr intelligenter und individueller machen. Den Schlüssel hierzu sehen sie in der Vernetzung klassischer ÖPNV-Angebote (wie U-Bahn oder Bus) mit privaten Fahrtdiensten oder Ride-Sharing-Angeboten. Ihr Produkt ist eine Baukasten-Software mit drei Kernkomponenten: Algorithmen, die Routenplanung in Echtzeit vornehmen können, Datenanalyse-Tools zur Ermittlung von Mobilitätsbedarf sowie Schnittstellen, um regionale Anbieter miteinander zu orchestrieren. „Es gibt eine Studie der OECD“, so Nohroudi im Interview mit der KfW, „die besagt, dass man 97 Prozent des Individualverkehrs, also der privaten Pkw, einsparen kann, wenn die übrigen drei Prozent On-Demand-Shuttlebusse sind – unter der Prämisse, dass sie in eine bereits existierende Infrastruktur eingebunden sind.“ Genau hier setzt door2door an und wendet sich mit seiner Software gezielt an Kommunen und Verkehrsbetriebe. Ende Mai 2018 fand das Startup seinen ersten Kunden in der niederbayrischen Kleinstadt Freyung. Seit August wird der Ride-Pooling-Service im ländlich geprägten Kreisgebiet erprobt, mit Zuspruch aus der Bevölkerung.

Sie wollen mehr über zukunftsweisende Mobilitätsprojekte aus Berlin erfahren? Lesen Sie unseren Beitrag zu autonomen Fahrzeugen oder zu Sharing-Diensten im städtischen Raum.

*Quelle: https://www.welt.de/finanzen/article172513884/Gebrauchtwagenhaendler-Auto1-ist-wertvollstes-Start-up.html

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