Berliner und Brandenburger Immobilienmarkt – quo vadis?

Berliner und Brandenburger Immobilienmarkt – quo vadis?


Schlanke Prozesse und nutzerfreundliche Konzepte: Die Digitalisierung ist eine Chance für die Berliner Verwaltung – und eine große Herausforderung, wie sich zeigt. Wo besteht der dringendste Handlungsbedarf?

Der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen steigt, die Neubauquote sinkt das fünfte Jahr in Folge: Wie sich der Markt entwickelt und welche Folgen das hat, dazu beziehen Expertinnen und Experten aus der Immobilienwirtschaft Position.

Text: Redaktion BBE, Foto: Patino / Shutterstock

„Der Berliner Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt. Seit 2011 ist Berlin um rund 340 000 Personen gewachsen. Gleichzeitig sind die Angebotsmieten um 70 Prozent auf mittlerweile 10,55 Euro pro Quadratmeter nettokalt im mittleren Marktsegment gestiegen. Die im Vergleich zu anderen Metropolen noch günstigen Lebensbedingungen werden vermutlich weitere Menschen anziehen. Dadurch ist die Stadt in den Fokus renditeorientierter Investoren gerückt, die Wohnen als lukratives Geschäftsfeld verstehen. Zur Lösung der Probleme einzig auf Neubau zu setzen ist falsch. Denn zumeist wird nur im oberen Marktsegment gebaut und damit am Bedarf großer Teile der Bevölkerung vorbei. Wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, dürfen wir uns Neubau ohnehin nur noch ganz gezielt erlauben. Daher bedarf es einer stärkeren Fokussierung auf den Wohnungsbestand, einer Förderung gemeinwohlorientierter Wohnungsanbieter, flankiert von einer wirksamen Mietpreisregulierung – ein rotes Tuch für Investoren. Aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass der private Markt allein es nicht richten wird. Wohnen ist Daseinsvorsorge und muss wieder als solche verstanden werden.“


Wibke Werner
Stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins
Foto: Berliner Mieterverein

„Die Immobilienbranche insgesamt steht derzeit vor vielfältigen Herausforderungen durch fragile Lieferketten, stark steigende Preise für Energie und Baustoffe, strengere Anforderungen an energetisches Bauen und Sanieren sowie einen anhaltenden Fachkräftemangel. Daher ist für viele Akteure in der Branche nur noch ein Fahren auf Sicht m.glich – für den Berliner Wohnungsmarkt, der mit einem Leerstand von unter einem Prozent extrem angespannt ist, ist diese Situation fatal. Das vom Senat ausgegebene Ziel, 20 000 Wohnungen pro Jahr in den kommenden zehn Jahren zu bauen, scheint kaum noch erreichbar. Menschen, die keinen angemessenen oder bezahlbaren Wohnraum in Berlin finden können, ‚flüchten‘ vermehrt ins Umland. Dies schlägt sich dort inzwischen auch deutlich in den Kauf- und Mietpreisen sowie in der Verknappung des Angebots nieder. Zur Entspannung des Marktes bedarf es einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung: Abbau der Bürokratie, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, Rechtssicherheit für private Investoren sowie das gemeinsame, offene Gespräch. Die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg mit Blick auf die Schaffung der notwendigen Infrastruktur ist hierbei essenziell. Die Versäumnisse der vergangenen Jahre werden wir nur unter deutlich schlechteren Bedingungen ausgleichen können.“


Stefanie Frensch
Vorstand der Familienstiftung Becker & Kries
Foto: Harry Schnitger

„Wenn SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert aktuell beklagt, dass es kaum noch Wohnungen in der Hauptstadt gibt, dann hat er recht. Und er muss sich diesen Schuh selbst anziehen. Unter Führung seiner SPD ist der Berliner Mietendeckel eingeführt worden und eine Diskussion um Enteignungen entbrannt. Beides hat zu einem Investitionsstopp, zu deutlich weniger Wohnungsangeboten und zu sinkenden Baugenehmigungszahlen geführt. Im vergangenen Jahr sind 18 716 Wohnungen genehmigt worden. Das sind 8,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Baugenehmigungen ist das fünfte Jahr in Folge gesunken. Von daher kann es nur eine Formel für den Berliner Wohnungsmarkt geben: bitte keine Experimente mehr! Die Berliner Regierung sollte eine neue Willkommenskultur für Investitionen schaffen, auch mehr Flexibilität und ein Umdenken in der Nutzung von Immobilien wären wünschenswert. Berlin hat Potenziale, die durch Verdichtung, Aufstockung oder Umnutzung wahrgenommen werden sollten. Ebenso ist und bleibt die Förderung von Wohneigentum ein vernachlässigter Aspekt.“


Jürgen Michael Schick
Inhaber und Geschäftsführer Michael Schick Immobilien GmbH & Co. KG sowie Präsident von IVD – Die Immobilienunternehmer
Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin

„Kürzlich äußerte sich Senator Andreas Geisel in der Presse, dass das Berliner Wohnungsbauziel von 20 000 Neubauwohnungen pro Jahr wohl derzeit nicht erreichbar sei. Gleichzeitig wird es auch im Speckgürtel um Berlin herum immer enger und der Gürtel selbst immer größer. Das heißt, der Bedarf an Wohnungen, vor allem an bezahlbaren, bleibt hoch oder wird höher. Gleichzeitig steigen die Baupreise massiv an. Die durch die Coronapandemie gestörten Lieferketten konnten noch nicht wieder vollständig aufgenommen werden, und zusätzlich sind durch den Ukrainekrieg weitere Engpasssituationen bei Baustoffen und Baumaterialien eingetreten. Hinzu kommt, dass Fachkräfte im Bau schon lange fehlen. Zusammen mit den deutlich ansteigenden Zinsen ist dies eine toxische Mischung für die Neubausituation. Es ist also davon auszugehen, dass die Neubauzahlen massiv zurückgehen, die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum bleibt hoch. Steigen also die Immobilienpreise weiter an? Ich denke, nein. Sie sind in Berlin und Brandenburg bereits auf einem sehr hohen Niveau angekommen, und durch die steigenden Zinsen wird ein Limit gesetzt. Insoweit denke ich, dass der ziemlich überhitze Wohnimmobilienmarkt in der nächsten Zeit etwas zur Ruhe kommen wird, ohne dass aber massive Einbrüche zu erwarten sind.“


Ingeborg Esser
Hauptgeschäftsführerin GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.
Foto: GdW / Urban Ruths

„Berlin liegt als deutscher Topstandort für Wohnimmobilien weiter sehr im Trend. Insbesondere Wohnimmobilien als Investment sind gefragt. Auch in der Pandemie haben sich Wohnimmobilien in Berlin als krisenresistent erwiesen, und bislang bleibt der Ukrainekrieg weitgehend ohne Auswirkung auf den Berliner Immobilienmarkt. Die Nachfrage ist weiterhin hoch. Unter dem Einfluss geopolitischer Unsicherheiten und rapide steigender Inflation erweisen sich Immobilien in Berlin weiter als wichtiger Sachwert. Der Investitionsdruck ist trotz langsam wieder steigender Zinsen sehr hoch, und viel Liquidität ist im Umlauf. Für Wohnungskäufer sind noch keine Entlastungen durch die steigenden Zinsen in Form von sinkenden Wohnungspreisen spürbar. Zudem steigen die Baukosten in jedem Bereich, und die umfassende Regulierung des Wohnungsmarktes führt zu nachhaltig weniger Angebot. Dies trifft zusätzlich auf ein zu erwartendes Bevölkerungswachstum. Daher mein Fazit: Berlin boomt weiter!“


Thomas Tams
CEO Victor Investment GmbH
Foto: Thomas Hedrich

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