Beschleunigt COVID-19 die Nachhaltigkeit?

Beschleunigt COVID-19 die Nachhaltigkeit?


Kapitalanlage und Nachhaltigkeit in Zeiten der Pandemie: Welche Unternehmen und Branchen besonders profitieren, darüber spricht Jens Herdack, Portfoliomanager Weberbank, im Interview.

Kapitalanlage und Nachhaltigkeit in Zeiten der Pandemie: Welche Unternehmen und Branchen besonders profitieren, darüber spricht Jens Herdack, Portfoliomanager Weberbank, im Interview.

Interview: Weberbank, Foto: Shaun Dakin / Unsplash

Herr Herdack, in den vergangenen Jahren wurde immer öfter über das Thema Nachhaltigkeit diskutiert. Wie aber haben sich solche Strategien denn nun im Jahr 2020 entwickelt? Konnte die Wertentwicklung mit klassischen Anlagen mithalten?

Das Jahr 2020 war auch für Anleger ein besonders herausforderndes. Vom Absturz der Aktienkurse im März, der folgenden schnellen Erholung bis hin zu einem Favoritenwechsel historischen Ausmaßes von Pandemiegewinnern zu den Pandemieverlierern aufgrund positiver Nachrichten zu fertigen Covid-19-Impfstoffen war alles dabei. Genau in diesem herausfordernden Umfeld konnten sich die unter „Nachhaltigkeitsaspekten“ – also unter Beachtung von Umwelt, sozialen Aspekten und guter Unternehmensführung – gemanagten Mandate besser entwickeln als die klassisch aufgestellten. Die Pandemie wirkte als zusätzlicher Katalysator für nachhaltig aufgestellte Unternehmen, während sie den Abschwung von nicht nachhaltig agierenden Unternehmen eher noch beschleunigte. So erzielte der auf Sustainability ausgerichtete internationale Aktienindex MSCI World SRI eine Wertsteigerung von knapp zehn Prozent in Euro, während sein nicht nachhaltiger Schwesterindex MSCI World es nur auf einen Wertzuwachs von etwas über sechs Prozent brachte.

Werden Sie da doch bitte etwas konkreter. Welche Unternehmen konnten denn in besonderem Maße im Pandemieumfeld bestehen oder profitieren, und welche nicht nachhaltigen wurden abgestraft?

Wir können exemplarisch die Sektoren Energie und Technologie herausgreifen. Während Energieunternehmen aufgrund ihres negativen Umwelteinflusses in nachhaltigen Indizes stark untergewichtet sind, findet sich dort eine deutliche Übergewichtung des Technologiesektors. Im Pandemieumfeld litten die Energieunternehmen unter den stark gefallenen Ölpreisen aufgrund des Einbruchs der Weltwirtschaft. Die Technologieunternehmen boten hingegen Lösungen, die insbesondere in der Pandemie noch stärker gefragt waren: Videokonferenzen, Onlineshopping, Essenlieferservice und Streamingdienste für die Unterhaltung vor dem Fernseher.

Da Sie gerade von Onlineshopping sprechen: Kann man hier wirklich von nachhaltig agierenden Unternehmen sprechen? Schließlich sorgen sie für ein enormes Aufkommen an Verpackungen und Transportfahrten mit zumeist noch alten Diesel-Lkw.

An diesem Beispiel zeigt sich recht gut, dass eine Nachhaltigkeitsanalyse in der Regel sehr tief greifen muss, um das ganze Ausmaß der langfristigen Umweltfolgen einer Geschäftstätigkeit einschätzen zu können. Allein in Deutschland werden aktuell täglich mehr als fünf Millionen Pakete aus Onlinebestellungen ausgeliefert. Im Durchschnitt wird jedes sechste Paket zurückgeschickt. Das Öko-Institut in Berlin hat deshalb die CO2-Emissionen beim Kauf eines Paars Turnschuhe im stationären Handel und im Onlinehandel verglichen. Das verblüffende Ergebnis: Der Onlinekauf schneidet bei der CO2-Bilanz deutlich besser ab. Denn der Einzelhandel verursacht laut Ökoinstitut einen Großteil seines CO2-Fußabdrucks mit der Strom- und Wärmeversorgung seiner Verkaufsflächen. Je nach Verkehrsmittel, mit dem die Kunden zum Geschäft gelangen, errechnet das Institut insgesamt eine um 20 bis über 300 Prozent höhere CO2-Last.


Jens Herdack, Portfoliomanager Weberbank Actiengesellschaft

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 33. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

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