Blockchain made in Berlin

Blockchain made in Berlin


Was lange als Nerd- und reines IT-Thema belächelt wurde, ist mittlerweile mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs in den Mainstream: Blockchain. Aber warum ist diese Technologie in aller Munde? Und welche Rolle spielt Berlin dabei?

Was lange als Nerd- und reines IT-Thema belächelt wurde, ist mittlerweile mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs in den Mainstream: Blockchain. Aber warum ist diese Technologie in aller Munde? Und welche Rolle spielt Berlin dabei?

Text: Christian von Jakusch-Gostomski, Illustration: Ramin Hasanalizade / Bikomins / Shutterstock

Wer Schlagworte wie Blockchain, Bitcoin, Non-Fungible Token (NFT), Ether oder Smart Contract hört, denkt vielleicht erst einmal: „Das klingt alles ganz schön kryptisch.“ Zumindest im Duden liegt ein Teil der Wahrheit nicht weit entfernt davon – denn ein zentrales Wort lautet hier: kryptografisch. Im Grunde geht es um eine verschlüsselte Datenbank, die aus einzelnen Datenblöcken besteht, die miteinander verkettet sind. Die Datenbank ist dezentral und fälschungssicher, denn sie ist auf vielen verschiedenen Computern gespeichert, sodass Fälschungen oder nachträgliche Änderungen sofort auffallen würden, da die Dateien automatisch untereinander abgeglichen werden. Digitaler Blockchain-Ausweis, Testamente und Besitzurkunden Die Einsatzmöglichkeiten gehen dabei weit über digitale Währungen wie Bitcoin hinaus. Laut Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik erwarten viele Expertinnen und Experten, dass die Blockchain-Technologie „etliche Bereiche der Gesellschaft“ verändern könne. So hat die Bundesregierung ein Pilotprojekt für einen Blockchain-basierten Ausweis gestartet, mit dem man seine Identität online gegenüber Behörden und Unternehmen nachweisen kann. Videolegitimationen oder das Postident- Verfahren könnten damit der Vergangenheit angehören. Aber Blockchains ließen sich auch in der Finanzbranche, für die Rückverfolgung von Lieferketten, den Stromhandel, den Kampf gegen Geldwäsche oder für die sichere Speicherung von Führerscheinen, Patientenakten oder Testamenten nutzen.

Ein großer Trend sind zurzeit außerdem sogenannte NFTs. Diese digitalen Besitzurkunden werden in Blockchains gespeichert und bestätigen ihren Eigentümern, dass ihnen eine bestimmte Datei gehört. In den USA haben Basketballfans für NFTs auf Sammlerstücke bereits mehr als 230 Millionen Dollar ausgegeben. Und das NFT auf ein digitales Werk des Künstlers Beeple erzielte bei einer Christie’s- Auktion im April 2021 einen Rekordpreis von 69 Millionen Dollar. Für die Blockchain spricht nicht nur die erwähnte Fälschungssicherheit. Wegen der verwendeten kryptografischen Verfahren sind die Daten auch besonders sicher und geschützt gespeichert, was datenschutzrechtliche Vorteile verspricht. Außerdem ist man nicht von einem zentralen Server abhängig, wodurch sich Kosten sparen lassen und die eigene IT weniger leicht angreifbar ist.

Die Kritiker bezweifeln dagegen, dass Blockchains wirklich so sicher sind wie behauptet. Außerdem merken sie an, dass die Technologie Lösungen für Probleme verspreche, die es eigentlich gar nicht gebe. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es sehr komplex und kompliziert sein kann, die Blockchain-Technologie in die existierende IT-Landschaft eines Unternehmens einzubinden. Last but not least wird kritisiert, dass Blockchains sehr viel Strom verbrauchen und so den Klimawandel beschleunigen: Laut dem Cambridge Centre for Alternative Finance beträgt der jährliche Stromverbrauch der weltweiten Blockchain- Rechner 120 Terawattstunden – das ist mehr als der Verbrauch der Niederlande.

Trotz der Kritik wächst das Blockchain-Business weiter. Ein Zentrum der Euphorie ist Berlin – und zwar nicht nur für Deutschland, sondern europa- und weltweit, wie der britische Guardian bereits 2013 betonte. 2018 zählte man in Berlin rund 70 Blockchain-Akteure, zwei Jahre später waren es bereits mehr als 180, Tendenz steigend. Dazu zählen Start-ups, Innovation-Hubs, Forschungseinrichtungen oder Investoren. Sie alle zieht es wegen des besonderen Tech-Ökosystems, der in Berlin zu findenden Kreativität und der im Vergleich zu anderen Blockchain-Hotspots günstigen Lebenshaltungskosten hierher. Ein weiterer Pluspunkt der deutschen Hauptstadt: die vielen gut ausgebildeten jungen Menschen aus aller Herren Ländern. Im Folgenden stellen wir einige der interessantesten und vielversprechendsten Projekte vor, die in Berlin aktiv sind.

Ethereum Foundation: rasantes Wachstum

Die Schweizer Ethereum Foundation hat weltweit mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ihr wichtigstes Projekt, ihre Blockchain, wurde aber in Berlin entwickelt. Auch Ether stammt von Ethereum und ist heute nach Bitcoin die Nummer 2 der Kryptowährungen mit einer Marktkapitalisierung von rund 388 Milliarden US-Dollar. Entscheidend für die Börsenrallye ist laut Experten die Ethereum-Infrastruktur. Diese ist die Basis für zahlreiche Anwendungen und Smart Contracts. Außerdem bildet Ethereum die technische Grundlage des aktuellen NFT-Hypes. Um es Unternehmen zu erleichtern, die Ethereum-Technologie zu nutzen, wurde 2017 die Ethereum Enterprise Alliance gegründet. Zu deren Mitgliedern zählen Schwergewichte wie SAP, Microsoft, FedEx, Intel, J. P. Morgan, Accenture und NTT.

Parity Technologies: Vorreiter für ein neues Internet

Es gibt viele öffentliche und private Blockchains auf der Welt – das in Berlin gegründete Unternehmen Parity Technologies hat das Ziel, sie miteinander zu verbinden. Das Projekt Polkadot soll es möglich machen, dass verschiedene Blockchains sicher und effizient miteinander kommunizieren können. Die Wirtschaftsmagazine Capital und Fortune zählen CEO und Mitgründerin Jutta Steiner zu den „Top 40 unter 40“ weltweit. Steiner beschreibt Polkadot als „eine Plattform, auf der man sehr einfach seine eigene Blockchain starten kann. Außerdem stellt es Technologien zur Verfügung, um existierende Netze interoperabel zu machen, zum Beispiel Ethereum und Bitcoin miteinander sprechen zu lassen.“ Parity will darüber hinaus dazu beitragen, das Internet grundlegend zu verändern, damit es nicht mehr so stark von den Onlinekonzernen dominiert wird.

Nuri: das Kryptokonto

In Kreuzberg ist mit Nuri, das 2015 als Bitwala gegründet wurde und sich im Mai 2021 umbenannt hat, ein weiteres Berliner Blockchain-Start-up zu Hause. Mit rund 200 000 Kunden ist es heute die drittgrößte sogenannte Neobank in Deutschland und richtet sich an Kryptowährung-Einsteiger und -Fortgeschrittene. Nuri will mit seinen mehr als 100 Angestellten den Umgang mit Kryptowährungen vereinfachen und ermöglicht es, mit wenigen Klicks direkt vom Girokonto Bitcoins und Ether zu kaufen. Man kann sie außerdem verleihen und erhält dafür Zinsen. Anleger sollten bei einer solchen Anlage aber die großen Risiken beachten. Zum einen sind diese Verleihgeschäfte nicht via Einlagensicherung abgesichert, zum anderen sind bei Kryptowährungen extrem große Kursschwankungen möglich. Experten warnen außerdem vor einer Spekulationsblase, die platzen könnte.

Energy Web Foundation: für grüneren Strom

Die gemeinnützige Energy Web Foundation (EWF) ist noch relativ jung, hat aber wie viele Start-ups große Ziele. Die EWF-Zentrale befindet sich im schweizerischen Zug, der Standort in der Berliner Friedrichstraße ist aber von großer Bedeutung für die Entwicklung. Mit seiner 2019 gestarteten Blockchain, die auf der Ethereum-Infrastruktur basiert, will das mehr als 30-köpfige EWF-Team den Strommarkt in Zusammenarbeit mit Vertretern der Energiebranche digitaler, dezentraler, kundenorientierter und kohlenstoffärmer gestalten. Um auch selbst ressourcenschonend zu arbeiten, hat die EWF ihre Blockchain so entwickelt, dass sie weniger Strom verbraucht. Mehr als 70 Unternehmen aus verschiedenen Ländern sind bereits Partner des Netzwerks und entwickeln zusammen kommerzielle Anwendungen wie Smart Contracts. Mit der EWF-Blockchain sollen Unternehmen oder Privatleute genau nachvollziehen können, ob der erhaltene Strom wirklich so grün ist wie versprochen.

Wie sieht die Blockchain-Zukunft aus? Im Blockchain-Business ist zurzeit sehr viel in Bewegung, kreative IT-Experten entwickeln immer neue Ideen, Unternehmen und Konzepte. Die Entwicklung der Kurse von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether feuert die Euphorie an. Klar scheint, dass Berlin seinen Status als europäischer Branchenhotspot behalten wird. Aber wie immer gilt auch hier das Mark Twain zugeschriebene Bonmot: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“

Glossar

BITCOIN ist eine Kryptowährung. 2009 veröffentlichte ein bis heute Unbekannter mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto die Bitcoin-Software und die allererste öffentliche Blockchain. Damit ist Bitcoin die älteste Kryptowährung der Welt und mit einer Marktkapitalisierung von mehr als einer Billion US-Dollar die am weitesten verbreitete.

BLOCKCHAIN Dezentrale Datenbanken, in denen Datenblöcke (block) gespeichert werden, die miteinander verkettet (chain) sind. Da jede Blockchain-Datenbank auf vielen verschiedenen Computern abgespeichert ist und alle Transaktionen untereinander abgeglichen werden, gelten Blockchains als fälschungssicher.

ETHER 2015 gestartet, ist Ether heute die zweithäufigste Kryptowährung. Ether basiert wie Bitcoin auf einer eigenen Blockchain, bietet aber als Bestandteil des Ethereum-Netzwerks mehr Funktionen als eine reine Kryptowährung.

KRYPTOGRAFIE ist die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, wie sich Informationen sicher und geheim halten lassen. Sie sorgt also dafür, dass nur diejenigen die Daten lesen und verstehen können, die auch dazu befugt sind.

KRYPTOWÄHRUNG Darunter versteht man digitale Zahlungsmittel, deren Zahlungssystem in der Regel dezentral, verteilt und kryptografisch abgesichert ist. Ein solches Zahlungssystem kann eine Blockchain sein.

NFT (NON-FUNGIBLE TOKEN) Ein NFT (deutsch: nicht ersetzbare Wertmarke) ist eine digitale Besitzurkunde für digitale Güter wie Kunstwerke oder Musik. Man ist damit zwar zertifizierter Eigentümer des gekauften Werks – andere Personen können die Datei jedoch weiterhin kopieren oder weiterverbreiten.

SMART CONTRACT Hierbei handelt es sich um einen elektronischen Vertrag, der vorab festgelegte Aktionen automatisch ausführt, sobald die dafür erforderlichen Bedingungen erfüllt sind.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 34. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

Diesen Artikel empfehlen