Die Bedeutung der Bauwirtschaft als Konjunkturanker

Die Bedeutung der Bauwirtschaft als Konjunkturanker


Im Interview spricht Dr. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V., über die Folgen der Pandemie für die Bauwirtschaft und gibt eine Einschätzung zur Entwicklung der Branche für das laufende Jahr.

Im Interview spricht Dr. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V., über die Folgen der Pandemie für die Bauwirtschaft und gibt eine Einschätzung zur Entwicklung der Branche für das laufende Jahr.

Interview: Redaktion BBE, Foto: Dirk Hasskarl | Quelle: FG Bau

Frau Dr. Schreiner, welche Ziele verfolgt die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V.?

Unser zentrales Anliegen ist es, eine handwerks- und mittelstandsfreundliche Wirtschaftspolitik in Berlin und Brandenburg zu etablieren – ohne zu viel regulierende Eingriffe, mit schlanken Prozessen in Planungs- und Genehmigungsverfahren und mit einem fairen und mittelstandsfreundlichen Vergaberecht. Darüber hinaus ist die duale Ausbildung unser Steckenpferd und wir arbeiten am Image des Baus. Bau heißt Zukunft, Perspektive, Entwicklung und Gestaltung – deshalb engagieren wir uns auch stark in der Schwarzarbeitsbekämpfung.

Mit rund 900 kleinen und mittelständischen Fachbetrieben des Bauhauptgewerbes sind wir der größte Bauarbeitgeber- und Bauwirtschaftsverband in Berlin und Brandenburg. Getreu unserem Slogan VOM BAU I VOM FACH I VON HIER werben wir für mehr Wertschätzung und Anerkennung der Qualität und Leistung der regionalen Bauwirtschaft.

Wie haben Sie die Entwicklung der Bauwirtschaft in den letzten Monaten – auch in Hinsicht auf die Auswirkungen durch die Pandemie – miterlebt?

Die Bauwirtschaft war und ist ein Konjunkturanker. Die Unternehmen haben trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Bauwirtschaft fast durchgehend unter erschwerten Bedingungen gearbeitet. Dabei gibt es bis heute nur wenige Erkrankungen bei unseren Mitgliedsfirmen, da die meisten Unternehmer mit dem größtmöglichen Maß an Verantwortungsbewusstsein Vorkehrungen für ihre Mitarbeiter getroffen haben.

Gab es disruptive Prozesse wie in anderen Branchen?

Der Digitalisierungsgrad im Bau ist nicht so ausgeprägt wie in anderen Wirtschaftsbereichen. Hier hat die Branche noch Aufholbedarf. Wir begleiten unsere Firmen auf diesem Weg: Angefangen bei der Beratung zur Optimierung der Geschäftsabläufe im Büro bis hin zu digitalen Tools auf der Baustelle und den Umgang mit Building Information Modeling. Die Änderung von Geschäftsmodellen kommt für die wenigsten Bauunternehmen in Betracht. Das hat sich auch angesichts der pandemischen Lage nicht geändert.

Welche Teilbereiche der Bauwirtschaft waren besonders durch die Pandemie betroffen und wie wurde seitens der Politik unterstützt?

Problematisch für alle Segmente ist die mangelnde Arbeitsfähigkeit der Behörden, insbesondere in Berlin. Die Unternehmen warten seit Beginn der Pandemie noch länger als sonst auf ihre Genehmigungen. Die Behörden waren und sind zum Teil bis jetzt nicht ausreichend besetzt. Außerdem gleicht Homeoffice in der Verwaltung bis heute mehr einer bezahlten Freistellung. In vielen Fällen ist ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise noch immer keine ausreichende mobile IT-Ausstattung vorhanden.

Ein weiterer Punkt war die Materialknappheit im ersten Lockdown. Als die Grenzen geschlossen wurden, fehlten vor allem Baustahl, aber zum Beispiel auch Fliesen, die zu einem Großteil aus Italien importiert werden. Auch die Schutzausrüstung, die insbesondere beim Abbruch von Gebäuden benötigt wird, war knapp. Wir konnten für unsere Mitglieder neue Vertriebskanäle aufbauen und haben sie im ersten Rutsch zum Beispiel mit der Organisation von rund 45.000 FFP2-Masken unterstützt.

Die Hilfsprogramme der Politik kamen in unserer Branche so gut wie nicht zum Tragen. Das liegt daran, dass wir von großen Umsatzeinbußen verschont geblieben sind. Die Auftragsbücher waren voll, so dass durchgearbeitet werden konnte.

Aus unserer Sicht hätte es jedoch gutgetan, bessere Anreizprogramme für ausbildende Betriebe zu schaffen. Denn Unternehmen, die viel ausbilden, hätten mit einem entsprechenden Anstoß auch vielleicht noch ein, zwei Azubis mehr einstellen können. Stattdessen wurden Anreize für Betriebe gesetzt, die um ihre Existenz bangen. Das ist nicht zielführend.

Die zeitweilige Senkung der Umsatzsteuer hat unseren Unternehmen einen erheblichen Mehraufwand in der Buchhaltung beschert. Unsere konstruktiven Vorschläge zur besseren Umsetzung im Bau wurden leider nicht gehört.

Der „krönende Höhepunkt“ war die Verschärfung des Berliner Vergaberechts im Schnelldurchlauf. Wir brauchen genau das Gegenteil: eine rigorose Entschlackung. Dies ist in anderen Bundesländern geschehen. Brandenburg setzt bei seiner derzeitigen Novelle des Vergaberechts aber leider ebenfalls die falschen Akzente.

Wie schätzen Sie die Entwicklung für das laufende Jahr ein?

Die Aussichten für das Jahr 2021 sind gedämpft. Bei knapp der Hälfte der Firmen hat sich die Auftragslage verschlechtert, das zeigen unsere aktuellen Umfragen. Fast 60 Prozent rechnen mit weiteren Auftragsrückgängen in den nächsten Monaten.

Die nachlassende Auftragslage ist nicht nur auf die Corona-Krise zurückzuführen. Rund ein Drittel der Unternehmen registrierten im letzten Jahr 20 Prozent Auftragsrückgang insbesondere in der Gebäudesanierung und -modernisierung allein aufgrund des Berliner Mietendeckels.

Wichtig ist deshalb, dass das Bundesverfassungsgericht schnell Rechtssicherheit schafft und dass neue Bauprojekte geplant, ausgeschrieben und beauftragt werden. Das gilt sowohl für private wie öffentliche Auftraggeber. Letztere müssen nun ihrer Funktion als Impulsgeber für die Konjunktur nachkommen. Sich darauf zu berufen, dass die öffentlichen Kassen leer sind und kein Geld für investive Ausgaben existiert, wäre auch vor dem Hintergrund unseres massiven Investitionsrückstaus in Schulen, Straßen, Schienen und Gebäuden der falsche Weg.

Frau Dr. Manja Schreiner ist neben ihrer Funktion als Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. auch stellvertretende Landesvorsitzende der CDU Berlin.

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