Dr. Florian Heinemann: Die Freiheit zu gestalten

Dr. Florian Heinemann: Die Freiheit zu gestalten


Er ist Gründer, Investor und Marketing-Guru: Florian Heinemann. Als Mitgründer des Wagniskapitalunternehmens Project A Ventures investiert er in gründergeführte Start-ups. Wie wurde er zum Investor, und was fasziniert ihn an der Start-up-Szene? Ein Porträt.

Er ist Gründer, Investor und Marketing-Guru: Florian Heinemann. Als Mitgründer des Wagniskapitalunternehmens Project A Ventures investiert er in gründergeführte Start-ups. Wie wurde er zum Investor, und was fasziniert ihn an der Start-up-Szene? Ein Porträt.

Text: Christian Schön, Foto: Florian Reimann

Dr. Florian Heinemann ist Gründer, Wissenschaftler, Marketing-Guru, Business Angel und Investor. Und nicht zuletzt ist er ein entspannter Familienmensch. Heinemann ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Den Familienmenschen spürt man auch dann, wenn er von seiner Arbeit als Investor erzählt. Dort geht es ihm ebenfalls immer um die Menschen und die Pflege von Beziehungen zu ihnen, um sie bestmöglich bei ihren Projekten zu unterstützen. Sein Ideal sei das einer Partnerschaft auf Augenhöhe. „Als Investor bin ich gut darin, anderen dabei

zu helfen, die richtige Konfiguration zu finden. Das ist für mich das Erfüllende.“ Geboren ist Florian Heinemann in Bergisch Gladbach. Seit 2010 lebt und arbeitet der heute 45-Jährige vor allem in Berlin. Hinzu kommen Aufenthalte im Ausland wie in den USA oder Großbritannien. Zuvor führten ihn seine Wege nach Aachen, Düsseldorf und Köln. Seine Heimat sei aber immer dort, wo seine Familie ist. Remote Work gehört für ihn nicht erst seit der Coronapandemie zur Normalität. Bei Project A Ventures musste man sich nicht lange umstellen, um mit den veränderten Bedingungen zurechtzukommen, Laptops und flexible Arbeitsmodelle sind im Start-up-Umfeld von jeher Teil der Grundausstattung. Doch auch wenn sein Unternehmen sehr gut durch die Krise gekommen sei, betont Heinemann, dass die vergangenen Monate für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht immer einfach gewesen seien.

Es ist seinem Doktorvater zu verdanken, dass Florian Heinemann Ende der Neunzigerjahre in der Start-up-Szene gelandet ist. Er ermutigte ihn, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. So gründete Heinemann gemeinsam mit vier Mitstreitern 1999 mit JustBooks sein erstes Start-up. Die Idee hinter JustBooks war noch ganz der Welt der Wissenschaft verpflichtet, in der er sich bis zu diesem Zeitpunkt bewegte. Über die Plattform konnten anderweitig schwer aufzutreibende Fachbücher antiquarisch erworben werden. Neben der Idee war das Timing entscheidend. Schon wenige Jahre später hätte ein Projekt wie dieses nicht mehr so einfach funktioniert. Die Verunsicherung nach dem 11. September 2001 war sehr groß, was sich in der Start-up-Szene bemerkbar machte. Genau in jener Zeit wurde die Übernahme von JustBooks durch AbeBooks besiegelt, das wiederum einige Jahre später von Amazon gekauft wurde.

Dieses Ereignis stellte den eigentlichen Startschuss von Heinemanns eigentlicher Karriere dar. Denn auch wenn Heinemann mehrfach erfolgreich Unternehmen (mit)gründete, begreift er sich selbst weniger als Gründer, vielmehr als Investor. Der Erlös aus dem Verkauf von JustBooks ermöglichte ihm diesen Weg. Bis zur Gründung von Project A beteiligte sich Heinemann als Business Angel und Investor im Rahmen seiner Tätigkeit bei Rocket Internet an mehr als 100 Start-ups. Darunter finden sich so namhafte Unternehmen wie Zalando, CityDeal/Groupon, Home24 (Gründungsinvestor), Trivago, Bitbond, Code University (Seed Investor), Lillydoo und ClassPass (Frühphaseninvestor). Ein Zufall führte dazu, dass Florian Heinemann heute einer der wichtigsten Marketing-Gurus in Deutschland ist. Als es beim Start von JustBooks um die Verteilung der Rollen im Gründerteam ging, erwischte er die Verantwortlichkeit für das Marketing. Weit weniger zufällig ist es, dass Heinemann es auch in diesem Bereich zu einer Vorreiterrolle brachte. Er beschreibt sich selbst als stark „pfadabhängig“. Ist ein Pfad erst einmal eingeschlagen, setzt sich Heinemann ambitionierte Ziele und arbeitet hart daran, sie zu erreichen. Diese Charaktereigenschaft zeigt sich in allen Vorhaben, die Heinemann angeht.

Nach den relevanten Zukunftstrends im Marketing und Vertrieb gefragt, verweist Heinemann vor allem auf die immer stärker digitalisierte und personifizierte Kommunikation. Reichweite misst sich nicht mehr nur rein nach Zahlen, sondern immer mehr nach „Engagement“, also der Qualität der Bindung zwischen Menschen. Darum gewinnen LinkedIn, Xing oder Facebook an Bedeutung, insbesondere aber solche sozialen Plattformen, bei denen stark über Videos kommuniziert wird: Snapchat, Instagram und TikTok. Entwicklungen wie Influencer- Marketing, Social Selling oder die Verlagerung auf Audio und Video leiten sich aus diesem Megatrend ab. Personen kämen damit leichter zurecht als Organisationen, vor allem für Unternehmen und ihre Marketingabteilungen bedeute diese Entwicklung eine Herausforderung, sagt Heinemann. Noch gelinge es nicht allen, das Ziel eines einheitlichen

Auftretens und eine authentische Kommunikation, die die Zielgruppe wirklich interessiert, miteinander in Einklang zu bringen. „Wer sich darauf am besten einstellt, wird in Zukunft die beste Marketing-Effizienz haben“, so Heinemann. Wahrscheinlich wäre Florian Heinemann heute habilitiert und säße auf einem Lehrstuhl, wenn sich zwischendurch nicht eine weitere Zufallsbegegnung ereignet hätte. Oliver Samwer gewann Heinemann 2007 als Geschäftsführer für Rocket Internet, für das er dann bis zur Gründung seiner eigenen Investmentfirma vier Jahre lang tätig war. Auch hier war der richtige Zeitpunkt wieder entscheidend. Während Heinemann bereits Pläne für seine Habilitation schmiedete, schwang sich die Start-up-Szene zu neuer Stärke auf und zog ihn erneut in ihren Bann. Doch seine Verankerung in der Wissenschaft prägt Heinemann bis heute. So argumentiert er beispielsweise stets klar, differenziert und unaufgeregt. Heinemann sieht zudem zahlreiche Parallelen zwischen wissenschaftlicher Forschung und dem Gründen. Wie in der Wissenschaft gehe es beim Gründen um die Sache und nicht um Politik. Zudem verbinde beide Bereiche ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Selbstbestimmung und Selbstständigkeit. Auch der Ansporn, immer wieder Neues erforschen zu wollen und Impulse zu bekommen, sei in beiden Welten gleichermaßen zu finden. Und ob am Lehrstuhl oder in Start-ups – man arbeite viel mit jungen Leuten zusammen.

Eine weitere Eigenart ist ihm aus der Zeit in der Wissenschaft geblieben: Vorträge hält Florian Heinemann gern. „Im Studium habe ich gelernt, über Dinge zu sprechen, von denen ich damals nur halb Ahnung hatte. Darum kann ich mich auch heute auf jede Bühne stellen.“ Wenn Florian Heinemann vom Gründen spricht, spürt man seine Begeisterung. Ein Ursprung dieser Leidenschaft ist sicher seine eigene Erfahrung als Gründer. Heinemann kommt aus einer Lehrerfamilie. Geld war zwar immer da, aber nie so viel, dass die Eltern ihm einfach alles finanzieren konnten. Als der erste Investor bei JustBooks einstieg, hatte Heinemann wegen seines Studiums 20 000 Mark Schulden auf seinem privaten Konto. Einen Tag später hielt er einen Kontoauszug der Sparkasse Düsseldorf über drei Millionen Mark in den Händen. Mit dieser Summe entstand für den damals 23-Jährigen und seine Mitgründer ein enormer Gestaltungsspielraum. „Nirgendwo sonst kann man als junger Mensch so schnell Verantwortung bekommen.“ Angesichts dieser fast magischen Erfahrung ist es nicht verwunderlich, dass es bei Project A um mehr als ums Investieren geht. Bei vielen Investmentfirmen hört der Kontakt zu den Gründerteams häufig auf, wenn die Beteiligungsbedingungen erst einmal geklärt sind. Bei Project A ist das anders. Hier steht ein Team von rund 100 Expertinnen und Experten zur Verfügung, die Gründungsteams im operativen Geschäft unterstützen können. Die Vision bei der Gründung von Project A war es, der optimale Partner für gründergeführte Start-ups zu sein. Heinemann glaubt stark daran, dass es einer der Schlüssel zum Erfolg ist, wenn Gründerinnen und Gründer von ihren Produkten und Ideen überzeugt sind und sie mit Ambition verfolgen. Auch hier geben ihm die Erfolge im Portfolio von Project A recht. Dort finden sich Unternehmen wie Trade Republic, Opinary, HelloPrint oder kfzteile24 . Wie gut der operative Support bei Neugründungen wirkt, konnte Heinemann bereits während seiner Zeit bei Rocket Internet beobachten. Die eigentliche Motivation, die hinter dieser Methode steht, hat aber auch mit ihm selbst zu tun. Eine partnerschaftliche Beziehung auf Augenhöhe entspreche einfach mehr seiner Persönlichkeit.

Neben der Begeisterung für das Gründen ist sich Heinemann der strategischen Bedeutung des Start-up-Ökosystems bewusst. Immer mehr Mittelständler und Familienunternehmen begreifen, dass sie die digitalen Themen angehen müssen. Gerade für Start-ups sei genau das eine enorme Chance. Darum ist ihm Jugendförderung ein wichtiges Anliegen. Erfahrungen in der Start-up-Szene zu machen sei enorm bereichernd. „Ich kann das jedem jungen Menschen raten.“ Man treffe auf kluge Leute, ein inhaltsfokussiertes Umfeld und eine garantiert steile Lernkurve. Trotz alledem wird in Deutschland immer noch viel zu wenig gegründet. Nach einer kurzzeitigen Erholung sind die Zahlen der Neugründungen jüngst wieder zurückgegangen. Auch darum engagiert sich Heinemann ehrenamtlich im Bereich der Jugendförderung, etwa bei der Plattform Startup Teens. Zu gründen heißt aber nicht nur zu lernen, sondern auch Fehler zu machen. Eine positive Fehlerkultur ist bekanntlich eines der wesentlichen Kennzeichen der Start-up- und Gründerszene. Florian Heinemann pflegt ein entspanntes Verhältnis zu Fehlern. Es sei normal, dass man mal eine Gelegenheit verpasse oder ein Investment nicht erkenne. „Das verstanden und akzeptiert zu haben, hat mir geholfen. Es hat mir beigebracht, entspannt zu sein. Man kann nicht allem hinterherlaufen.“ Vielmehr sei es hilfreich, sich selbst ambitionierte Ziele zu setzen und ein hohes Maß an Selbstreferenzialität zu schaffen.

Seine eigenen Anstrengungen, eine wissenschaftliche Karriere zu starten, sieht er heute unter Effizienzgesichtspunkten eher kritisch. Wenngleich er sehr viel dabei gelernt habe und ein Studium nach wie vor sinnvoll sei, zähle der Doktortitel heute nicht mehr so viel wie früher. Vielmehr gelte es, die eigene Zeit sinnvoll zu investieren. Heinemanns eigene Geschichte ist der beste Beweis, dass es sich lohnen kann, schnell in den Gründungsmodus zu kommen und das eigene Potenzial optimal zu nutzen. Dann erhält man die größte Chance von allen – die Freiheit zu gestalten.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 34. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

Diesen Artikel empfehlen