Eva-Valérie Gfrerer: Erfolgreicher in Start-ups investieren mit KI

Eva-Valérie Gfrerer: Erfolgreicher in Start-ups investieren mit KI


Je jünger ein Start-up, desto größer das Risiko für Investoren. Deshalb lassen sich VC-Geber oft mehr vom persönlichen Eindruck leiten als vom Geschäftsmodell. Eva-Valérie Gfrerer will das ändern. Die Gründerin und CEO von MorphAIs nutzt KI, um erfolgversprechende Start-ups zu identifizieren.

Je jünger ein Start-up, desto größer das Risiko für Investoren. Deshalb lassen sich VC-Geber oft mehr vom persönlichen Eindruck leiten als vom Geschäftsmodell. Eva-Valérie Gfrerer will das ändern. Die Gründerin und CEO von MorphAIs nutzt KI, um erfolgversprechende Start-ups zu identifizieren.

Interview: Redaktion BBE, Foto: MorphAIs

Frau Gfrerer. Sie haben eine Technologie entwickelt, die mittels KI erfolgsversprechende Start-ups identifiziert und dabei insbesondere jene, die noch in der Pre-Seed-Phase sind und es oft entsprechend schwer haben, Investoren zu finden.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Wenn man den Venture Capital Markt betrachtet, muss man nicht weit schauen, um zu sehen, dass Venture Capital als Anlageklasse massiven Innovationsbedarf hat. Wenn Sie sich die Performance der Asset Klasse anschauen, dann sehen Sie, dass 80 bis 90 Prozent aller Fonds scheitern in dem Sinne, dass sie die Mindesterwartungen der Investoren an ihre Rendite nicht erfüllen. Parallel dazu ist die Art, wie Entscheidungen getroffen werden, im Venture Capital Bereich extrem manuell getrieben. Wir haben Entscheider, die basierend auf ihrem Bauchgefühl, ihrer Erfahrung, ihrer Intuition entscheiden, in welche Gründerteams Kapital allokiert wird. Diese manuellen Entscheidungen sind höchst biased, also voreingenommen, sodass bspw. ganz klar Gründerteams bevorzugt werden, die dem Investor selbst ähneln wohingegen solche, die objektiv betrachtet viel Potential haben aber weniger Ähnlichkeit mit dem Entscheider, häufig übersehen werden. In Zeiten, in denen Technologie und Daten vorhanden sind, um Risiko besser zu managen sodass objektivere Entscheidungen getroffen werden können, war für uns von Anfang an klar: Wir müssen ein daten- und technologiegetriebenes Risikomanagement aufbauen, um diese Asset Klasse performanter zu gestalten.

Sondiert MorphAIs weltweit oder beschränken Sie sich auf die deutsche bzw. europäische Gründerszene?

Vor den kulturellen Hintergründen haben wir uns auf die westlichen „Hochburgen“ fokussiert, also die USA, Kanada, Israel, und ganz Europa natürlich. Wir haben inzwischen über eine Million Unternehmen, die in den letzten 20 Jahren gegründet wurden, evaluiert oder analysiert und haben mit Technologie sowohl Muster des Erfolgs als auch des Scheiterns entdeckt. Über mathematische Verfahren können die von uns gebauten Modelle zu einem sehr frühen Zeitpunkt, im Early Stage Bereich, bereits eine Einschätzung machen, welche Gründer eine mehr oder weniger hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Da sind wir wieder beim Risikomanagement. In jeder andere Anlageklasse, die inhärent riskant ist, wird das Risiko mittels mathematischer Modelle quantifiziert, mit Maschine Learning, AI. Nur nicht in der Risikogruppe „Menschen“.

Ist die Geschäftsidee oder die Technologiesparte auch ein Indikator für potentiellen Erfolg? Kann man da grundsätzliche Aussagen treffen?

Ja, Geschäftsidee bzw. Branche eines Start-Ups sind Faktoren, die potentiellen Erfolg beeinflussen können. Um den Einfluss messbar zu machen müssen Sie Variablen konstruieren, die „Geschäftsidee“ bzw. „Branche“ abbilden. Das sind jedoch sehr dynamische Variablen, die sich über die Zeit verändern und nicht einfach aus historischen Daten abgeleitet werden können. Deshalb kann man hier schwer pauschalisieren. Derzeit besteht z.B. eine große Bereitschaft, in Fintechs zu investieren. Das heißt, viel Geld fließt in diese Branche. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass dort die besten Unternehmen gebaut werden. Wir schauen uns zwar solche trend- bzw. marktbedingte Variablen an. Da für uns aktuell aber vor allem der Pre-Seed-Bereich im Zentrum steht, der m.E. der komplexeste Bereich ist da hier das größte Risiko und die schwierigste Datenlage bestehen, haben andere Variablen viel größeres Gewicht in der Erfolgsprognose: Hier basiert Risiko eher auf weichen Faktoren wie Gründern, deren Hintergründe und Erfahrungen. Wir mussten also ein Modell konstruieren, dass bereits so früh basierend auf den Erfahrungen, der Zusammensetzung eines Gründerteams usw. das Erfolgspotential der Gründung prognostizieren kann. Unsere Grundhypothese dabei ist, dass gute Gründer gute Entscheidungen treffen. Je später wir den Erfolg eines Start-Ups berechnen, bspw. nicht mehr in der Pre-Seed, sondern in der Series A Stage, desto mehr härtere Faktoren kommen hinzu, z.B. die Traktionsvariablen. Zu diesem Zeitpunkt werden Fragen relevanter wie: Wie entwickelt sich das Produkt? Wie ist die Aufmerksamkeit gegenüber diesem Produkt? Dies sind Variablen die viel leichter abzubilden sind weil sie viel einfacher zu messen sind, als die „weichen Faktoren“.

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass bislang „unentdeckte“ Start-ups auch von dieser Technologie profitieren?

Genau. Talent ist, das sehen wir, grundsätzlich gleich verteilt. Aber der Zugang zu Venture Capital eben nicht. Also wie schaffen wir es mit Technologie, Talent außerhalb der Gewässer, in denen gerade alle fischen und die total überfischt sind, zu finden? Für uns ist der Moment interessant, wenn der erste digitale Fußabdruck erkennbar ist. Sobald eine Firma eine Domain anmeldet, ein Unternehmen oder ein Gründerteam auf LinkedIn erkennbar ist, möchten wir diese finden und talentbasiert mit Hilfe von technologiebasiertem Risikomanagement entscheiden, ob dieses Gründerteam ein erfolgreiches Investment sein kann oder nicht. Aus unserer Sicht müssen Top Gründer nicht von einer der privaten Hochschulen in Deutschland kommen oder aus einem gewissen Land. Heute fallen Investmententscheidungen jedoch immer noch sehr stark auf Basis von Voreingenommenheiten, was unweigerlich der Fall ist, wenn sie ausschließlich von Menschen und nicht über quantifizierbare Metriken getroffen werden. Hier ist es einfach gut auf die Hilfe von Technologie zu vertrauen.

Wenn Sie eine Empfehlung machen können, wie geht es dann weiter? Sprechen Sie potenzielle Investoren an?

Während unserer Entwicklungsphase haben wir das genauso getan. Die Empfehlungen, die wir gegeben haben können sich sehen lassen und hätten in den letzten 12 Monate einen sehr hohen Return generiert. Mittlerweile ist die Technologie soweit ausgereift, dass wir nicht mehr nur die Schaufeln verkaufen wollen, sondern am Goldrausch partizipieren möchten. Deshalb bereiten wir uns gerade vor, unseren ersten Pre-Seed Fonds aufzusetzen. Gleichzeitig können wir so auch am meisten Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Denn Technologie ist immer nur so gut wie der Entscheider, der sie zum Schluss benutzt. Wir bauen ja kein algorithmisches Investing, wo basierend auf Technologie Geld ausgezahlt wird, sondern unsere Technologie unterstützt und macht den Entscheidungsprozess weitaus effizienter und performanter. Die heutigen VC Investoren sind Technologie gegenüber jedoch leider noch sehr skeptisch eingestellt und es fehlt an Innovationsbereitschaft, vielleicht auch weil sie Sorge haben, Technologie könnte ihre Daseinsberechtigung in Frage stellen. Unser Modell ist deshalb ein anderes: Wir sehen uns als VC Firma, die über unser technologiebasiertes Risikomanagement Kapital besser allokieren kann und zudem skalierbar ist. Gleichzeitig sind wir durch externes Kapital finanziert wie eine typische Tech-Firma, sonst könnte man die Technologieentwicklung nicht finanzieren.

Angenommen ich bin ein Family Office und interessiere mich für einen bestimmten Markt. Kann ich bei Ihnen eine Analyse dazu in Auftrag geben?

Guter Punkt. Unsere Partner und Investoren sind sowohl Business Angels als auch Family Offices, die wie wir der Ansicht sind, dass diese Anlageklasse einfach besser risikogemanagt werden muss und Technologie der Weg nach vorne ist. Und ja, für unsere Partner bzw. Investoren fahren wir grundsätzlich auch Analysen. Mittelfristig kann ich mir auch vorstellen, dass der Bereich ausgebaut werden kann. Erste Projekte gibt es bereits.

Sie hatten vorhin gesagt, auf junge Start-ups muss man ganz anders schauen als auf jene, die schon weiter in ihrer Entwicklung sind. Wenn Sie einem Start-up Potenzial bescheinigt haben, behalten Sie es dann weiterhin „auf dem Radar“?

Absolut. Alle Start-ups und Gründerteams, die wir einmal auf dem Radar haben bleiben in unserer Datenbank und wir verfolgen ihre Entwicklung kontinuierlich. Auf diese Weise lernt unsere Technologie durchgehend dazu, sodass unsere Modelle verbessert und auf neue Dynamiken angepasst werden. Bisher haben wir eine Vielzahl von Echtzeitempfehlungen gegeben, besonders im DACH-Raum, weil wir dort Partner haben. Über 40% dieser Empfehlungen haben in nur sechs Monaten erfolgreiches Funding erhalten, u.a. haben auch Investoren aus dem Kreis unserer Partner schon in solche Empfehlungen investiert. Gleichzeitig hilft unsere Technologie auch dabei, die Fehlallokation von Kapital zu reduzieren, sodass insgesamt bessere Portfoliogewinne erreicht werden können. Eine bessere Performance zu schaffen bedeutet ja sowohl die Fehlerquote zu reduzieren als auch parallel die Erfolgsrate zu maximieren. Dazu gehört zum einen schneller und akkurater die Start-ups zu finden, die eine gewisse Sichtbarkeit haben, aber eben auch die Startups, die normalerweise unter den Tisch fallen würden, zu identifizieren.

Es heißt ja stets, dass mehr Frauen gründen sollen, andererseits haben es Frauen schwerer, an Wagniskapital zu kommen als Männer. Wie geht Ihre KI damit um? Bedingt es der Algorithmus, dass mehr frauengeführte Start-ups zum Zug kommen?

Das muss ich etwas erläutern. Wir setzen uns nicht hin und sagen, wir möchten diverser investieren und eine Frauenquote von 30 Prozent erzielen, sondern wir gehen neutral vor und entscheiden talentbasiert. Wenn Sie sich nur historische Daten anschauen und darauf Modelle trainieren, dann werden diese Modelle inhärent biased sein: Denn sie werden die Voreingenommenheit der vergangenen Entscheidungen reproduzieren. Das heißt, Sie können mit KI nur dann neutrale Entscheidungen treffen, wenn Sie die Technologie mit weiteren Annahmen anreichern. Wir nutzen Mathematik, z.B. Symmetrie-Annahmen, welche dann explizit in ein probabilistisches Modell hineinkodiert und während des Trainings dadurch berücksichtigt werden. Es ist also kein rein deduktiver, sondern auch ein induktiver Vorgang. Eine Annahme kann zum Beispiel sein, dass Geschlecht keinen Einfluss auf den Erfolg von Start-ups hat. Mit solchen Symmetrie-Annahmen arbeiten wir. Wir arbeiten aber auch eng mit Psychologen und anderen Wissenschaftlern, um weitere Daten, für die es wissenschaftliche Evidenzen gibt, dass sie sich positiv auf Start-Up Erfolg auswirken, in unsere Modelle zu induzieren. Zusammengefasst kann ich sagen, dass unsere Daten und Modelle zeigen, dass sich Diversität in Gründerteams positiv auf deren Erfolg auswirkt. Eine Konsequenz dieses Ansatzes ist, dass wir auch mehr diverse Gründerteams finden.

Für alle Fragen rund um Ihr Vermögen steht Ihnen Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, telefonisch und per E-Mail zur Verfügung: Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de

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