Expertenmeinung: Freibier für die Mieter

Expertenmeinung: Freibier für die Mieter


Dr. Hermann Stapenhorst (MRICS) lebt und arbeitet als Rechtsanwalt und Notar in Berlin. Er dient dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin als dessen Präsident. In seinem Gastbeitrag beleuchtet er das Thema Mietendeckel.

Dr. Hermann Stapenhorst (MRICS) lebt und arbeitet als Rechtsanwalt und Notar in Berlin. Er dient dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin als dessen Präsident. In seinem Gastbeitrag beleuchtet er das Thema Mietendeckel.

Gastbeitrag: Dr. Hermann Stapenhorst, Foto: Marcus Lenk / Unsplash, Erscheinungsdatum: 29. September 2020

Um ihre Untertanen gewogen zu stimmen, schenkten schon die Pharaonen Freibier aus. Und während der bürgerlich-revolutionären Erhebungen des Jahres 1848 verhinderte der Ausschank von Freibier in München blutige Unruhen. Geschenke besänftigen also die Gemüter. So betrachtet ist es nicht verwunderlich, dass Mietpreisregulierung in einer Stadt populär wie Freibier wirkt, in der 85 % der Menschen Mieter sind. Es lassen sich Wahlen damit gewinnen, besorgten Mietern weiszumachen, der starke Anstieg der Angebotsmieten werde durch Mietenregulierung verringert.

Der staatliche Eingriff in die Preisbildung ist ein primär wirtschafts- und sozialpolitisches Thema dort, wo Preisbildung durch Angebot und Nachfrage zu politisch nicht gewollten Ergebnissen führt, etwa in Monopolmärkten. Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass solche Eingriffe selten erfolgreich waren. Aus der staatlichen Preisbindung ergibt sich allerdings folgendes Problem, wenn der festgesetzte Preis zu niedrig ist: Für Anbieter wird die Herstellung des Wirtschaftsguts unwirtschaftlich. Statt des staatlichen Ziels, einen niedrigen Preis durchzusetzen, wird das Angebot knapper, schlechter oder verschwindet ganz. Auf dem Schwarzmarkt sind die Güter zwar weiter erhältlich, allerdings zu einem marktwirtschaftlich gebildeten höheren Preis. Schattenmieten und Abstandszahlungen sind die Folge dort, wo Neubauten von Nöten wären.

Emotional ist der Wunsch nach gesetzlichen Mietsenkungen durchaus nachvollziehbar. Volkswirtschaftlich vernünftig ist dieser anhaltende, inzwischen auch bei bürgerlichen Parteien als wählerwirksam erkannte Trend in der Politik allerdings nicht. Denn diese Politik dämpft Anreize für Investitionen und führt zu nachlassender Instandhaltung und Modernisierung. Die Angebotsmieten für Bestandsgebäude mögen gesunken sein, das tatsächliche Angebot solche Wohnungen überhaupt mieten zu können, aber eben auch. Zunehmend werden Eigentumswohnungen lieber zum Kauf als zur Vermietung angeboten. Und die Mieten für Neubauten sind deutlich gestiegen. Dabei ist Rendite für getätigte Investitionen nichts Unanständiges! Im Gegenteil: Sie ist unbedingt geboten, um die allseits gewünschte zusätzliche kapitalgedeckte Altersversorgung zu ermöglichen.

Die juristischen Argumente sind hinlänglich ausgetauscht. Ist das Land Berlin überhaupt im Rechtsinne kompetent, also zuständig dafür, die Mieten zu deckeln und zu reduzieren? Ich meine, nein. Das Land Berlin hat keine Gesetzgebungskompetenz. Denn der Bund hat die Mietpreisbremse geschaffen und bei deren Verlängerung im vergangenen Jahr auch erwogen, die Mieten zu begrenzen. Wenn der Bund weitere Regelungen absichtsvoll unterlässt, hat er seine Kompetenz ausgeübt. Für ein und denselben Wohnraum würden andernfalls gegenläufige gesetzliche Regelungen gelten. Der Berliner Mietendeckel verletzt die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Ein – wohlgemerkt – zuständiger Gesetzgeber hätte zwar das Recht, Inhalt und Schranken der Eigentumsgarantie vor allem dort enger zu definieren, wo das Eigentum in sozialem Bezug steht, was bei Wohnungen unzweifelhaft der Fall ist. Nur ist die Grenze dort erreicht, wo rückwirkend in bestehende Verträge und damit in die Substanz eingegriffen wird. Niemand hat Anspruch auf höchste Rendite, aber Verluste muss auch niemand hinnehmen. Das Ziel mag verfassungsrechtlich legitim sein, das Mittel der Wahl aber ist unverhältnismäßig. Erstens ist zweifelhaft, ob wirklich drängender Handlungsbedarf besteht, der Eingriff mithin erforderlich ist, da die Mieten vor allem beim Neubau stark gestiegen sind, nicht aber bei Bestandswohnungen, wie man am Mietspiegel erkennen kann. Und zweitens ist der Eingriff unangemessen, weil er durch die Kürzung vereinbarter Mieten einer Teilenteignung gleichkommt. Soziale Ungerechtigkeiten sind die Folge, da wohlhabende Mieter in guten Wohnlagen besonders profitieren.

Nun wird das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben, wer Recht hat. Der Kater für die Mieter dürfte arg werden nach dem Freibier-Rausch.


Rechtsanwalt und Notar Dr. Hermann Stapenhorst
Foto: Steffen Jänicke

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