Finanzmarkt aktuell

Finanzmarkt aktuell


Stimmungsindikator auf Rekordhoch: Lesen Sie den Kommentar von Hannah Tielcke, Portfoliomanagerin Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 9. April 2021.

Stimmungsindikator auf Rekordhoch: Lesen Sie den Kommentar von Hannah Tielcke, Portfoliomanagerin Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 9. April 2021.

Autorin: Hannah Thielcke, Portfoliomanagerin Weberbank
Beitragsfoto: Marc-Oliver Jodoin / Unsplash

Jetzt, wo die Impfprogramme auch in der EU immer mehr an Fahrt aufnehmen, ist das Ende der Pandemie zum Greifen nah. So verwundert es nicht, dass die Stimmung in der globalen Industrie bestens ist und auch der Dienstleistungssektor nun langsam den Kopf aus dem Sand zieht. Doch nicht überall konnte die Krise so glimpflich überstanden werden. Diese Ausgabe von Finanzmarkt aktuell beschäftigt sich mit den längerfristigen Auswirkungen der Pandemie, die insbesondere in den Schwellenländern noch länger spürbar sein werden.

Bleiben Sie informiert und abonnieren Sie unseren Newsletter Finanzmarkt aktuell

Newsletter abonnieren

Erholung der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Die jüngsten globalen Stimmungsindikatoren aus der Wirtschaft zeigen ein zunehmend aufgehelltes Bild. Insbesondere die Industrieunternehmen und das Verarbeitende Gewerbe melden deutlich anziehende Auftragseingänge. Auch im stärker gebeutelten Dienstleistungssektor zeigen sich die Umfrageteilnehmer wieder optimistischer. Diese Bewegung wird von den USA und der Eurozone angeführt, wo sich der Stimmungsindikator auf einem Rekordhoch befindet. Es bleibt nun lediglich die Frage nach dem „wann“, nicht dem „ob“ der wirtschaftlichen Erholung. Auch wenn wir jetzt positiver in die Zukunft blicken, die Pandemie hat ihre Bremsspuren in der globalen Wirtschaft hinterlassen. Wir sehen zwar in den nächsten Jahren hohe Wachstumszahlen, dürfen uns aber nicht täuschen lassen, dass diese lediglich eine Aufholbewegung darstellen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2024 insgesamt noch drei Prozent kleiner sein wird als sie es ohne Covid-19 gewesen wäre. Die Unterschiede sind dabei riesig und vor allem wirtschaftsschwache Länder sind stark betroffen. Während China nur noch mit einem Rückstand von knapp zwei Prozent rechnen muss, und die USA sogar einen leichten Zuwachs verzeichnen, werden die Einbußen für Indonesien beispielsweise auf fast 10 Prozent geschätzt. Dass diese Prognosen auch so eintreten, ist natürlich nicht ausgemacht. So gibt es Risiken, aber auch Chancen, die dieses Szenario beeinflussen können. Zu den größten Risiken für eine positive Wirtschaftsentwicklung der Schwellen- und Entwicklungsländer zählen eine erneute Verschärfung und Verschleppung des Pandemiegeschehens sowie eine Verschlechterung der internationalen Finanzierungsbedingungen aufgrund restriktiverer Notenbankpolitik, insbesondere in den USA und Europa. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch großes positives Überraschungspotential. Die bereits angelaufenen Impfprogramme, die zum Teil schneller voranschreiten als zunächst erwartet, sowie eine hohe natürliche Immunisierung – in Kombination mit einer im Durchschnitt jüngeren Bevölkerung – können für eine deutlich schnellere nachhaltige Besserung der Pandemielage sorgen. Die angestauten Ersparnisse der privaten Haushalte sowie die großangelegten Investitions- und Infrastrukturpakete der Industrieländer können zudem für eine nachhaltige Belebung der globalen Wirtschaft sorgen, von der auch die Schwellen- und Entwicklungsländer profitieren sollten. Erste Anzeichen dafür sind in den Stimmungsindikatoren und den Aktivitätsdaten bereits erkennbar. Eine wichtige notwendige Bedingung für solch eine breite Erholung ist jedoch auch eine schnelle Erholung des Tourismus.

No Night in Bangkok

Thailands Metropole steht stellvertretend für viele andere Orte auf der Welt, die besonders hart von der Pandemie getroffen wurden und die ihre Folgen wahrscheinlich noch länger spüren werden. Die Bank of Thailand prognostiziert auch für das Jahr 2022 mit nur gut 20 Millionen erwarteten Besuchern die Hälfte des Touristenaufkommens aus 2019. Sollte diese Prognose sich bewahrheiten, ist mit langanhaltenden Einschnitten für das Wirtschaftswachstum zu rechnen, da die Einbußen im Tourismussektor auf andere Branchen ausstrahlen und dadurch Arbeitsmarkt sowie Binnennachfrage gedämpft werden. Wir sehen dennoch Chancen für eine schnellere Wiederbelebung des Tourismus. Erste Erfahrungen aus China zeigen, dass die Nachfrage nach diversen Freizeit- und Reiseaktivitäten durchaus schnell wieder zurückkehren kann. Über die zurückliegenden Feiertage konnte dort ein Touristenaufkommen von über 90 Prozent der Niveaus aus 2019 erreicht werden. Theater- und Kinokassen konnten im Vergleich zu 2019 mehr als 10 Prozent Besucherwachstum verzeichnen. Diese Erfahrungen sind zwar nicht direkt auf die Wiederbelebung des internationalen Tourismus übertragbar, geben jedoch einen ersten Hinweis darauf, wie schnell sich das private Konsumverhalten den Lockerungsmaßnahmen anpassen kann. Dabei werden höchstwahrscheinlich Nahtourismus und kulturelle Veranstaltungen zuerst profitieren, bevor sich auch der Ferntourismus beleben wird.

Die Börsenwelt rotiert weiter

Der Kapitalmarkt war im ersten Quartal wieder von schnellen Favoritenwechseln geprägt. Das schwierige Zinsumfeld mit steigenden US-Renditen vor allem in den längeren Laufzeiten in Kombination mit der vielerorts weiterhin angespannten Gesundheitslage und den möglichen Langfristfolgen für die Wirtschaft boten ein schwieriges Umfeld für Schwellenländeraktien und -anleihen. Vor allem Schwellenländer-Staatsanleihen entwickelten sich aufgrund ihrer hohen Zinssensitivität und großen Abhängigkeit von den US-Renditen negativ. Auch Aktien in den Schwellenländern konnten sich dem nicht entziehen. Nach einem positiven Start ins Jahr korrigierte der MSCI Emerging Markets Index deutlich und geriet im Vergleich mit den Aktienindizes der Industrieländer ins Hintertreffen. Für die nächsten Monate erwarten wir hier eine Beruhigung, da sich der Renditeanstieg in den USA nicht in dieser Geschwindigkeit fortsetzen sollte und wir aktuell nicht von einer weiteren Verschlechterung des wirtschaftlichen Ausblicks ausgehen. Trotzdem sind wir aufgrund des eingetrübten Ausblicks aktuell eher zurückhaltend für Aufstockungen in diesem Bereich. Am europäischen und US-amerikanischen Aktienmarkt sahen wir erneut freundliche Kursbewegungen. Hier konnten seit Jahresanfang Value-Aktien auftrumpfen. Zuletzt wurden sie hier jedoch vermehrt von Qualitätsaktien insbesondere großer Unternehmen abgelöst. Die zuletzt angestiegenen Rohstoffpreise könnten ein Grund dafür sein, dass Investoren sich diesen Unternehmen nun vermehrt zuwenden. Deren traditionell stabile Gewinne und Margen werden typischerweise von steigenden Inputpreisen weniger belastet.


Hannah Thielcke, Portfoliomanagerin Weberbank Actiengesellschaft

Sie möchten wissen, wie unsere Portfoliomanager das Geschehen an den weltweiten Finanzmärkten einschätzen? Bestellen Sie jetzt unseren Newsletter „Finanzmarkt aktuell“.

Diesen Artikel empfehlen