Finanzmarkt aktuell

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Sonderausgabe des Finanzmarkt aktuell: Der Kommentar von Daniel Schär, Leiter Portfoliomanagement Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 4. März 2022.

Sonderausgabe des Finanzmarkt aktuell: Der Kommentar von Daniel Schär, Leiter Portfoliomanagement Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 4. März 2022.

Autor: Daniel Schär
Beitragsfoto: StockPhotosLV / Shutterstock

Der Schock über die entsetzlichen Entwicklungen im Osten Europas sitzt tief, der Westen hat harte Sanktionen gegen Russland verhängt und die ersten wirtschaftlichen Ableitungen dieser Entwicklungen zeigen sich. Die Situation ist sehr angespannt und von vielen Unwägbarkeiten geprägt. In der heutigen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“ lesen Sie unsere Gedanken und Ableitungen mit Blick auf Wirtschaft und Finanzmärkte.

 

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Rohstoffpreisentwicklung im Fokus

Die verbesserte Pandemiesituation rund um den Globus und die jüngst gemeldeten Wirtschaftsindikatoren könnten eigentlich Anlass für Zuversicht und Hoffnung sein, wären da nicht die dunklen Wolken, ausgelöst durch die Folgen der von Putin ausgelösten kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Der Blick auf positive Frühindikatoren ist somit trügerisch, da die aktuellen Entwicklungen noch nicht berücksichtigt sind. Es ist jedoch schon jetzt klar, dass Europa aufgrund der geographischen Nähe und der engeren Handelsverflechtungen stärker belastet werden wird als der Rest der Welt. Den Fixpunkt, der das Ausmaß der wirtschaftlichen Bremswirkung bestimmen wird, bilden die Energie- und Rohstoffpreise. Mit rund 40 Prozent dominiert Russland die europäischen Gasimporte. Die Abhängigkeit bei Öl ist nur halb so hoch, aber immer noch dominant. Es ist also nicht verwunderlich, dass diese Lieferungen vorerst von den Sanktionen ausgeschlossen wurden. Die Preise gehen aktuell trotzdem durch die Decke, obwohl seit Kriegsbeginn die Menge an geliefertem Gas über die bestehenden Pipelines signifikant angestiegen ist. Auch die Nahrungsmittelpreise haben begonnen zu steigen. Russland und die Ukraine stehen zusammen für etwa ein Viertel der globalen Düngemittel- und Weizenproduktion. Der von allen erhoffte Hochpunkt der Inflationsraten wird durch die aktuellen Entwicklungen weiter in die Zukunft verschoben. Die in dieser Woche gemeldete Euro-Inflationsrate hat mit 5,8 Prozent einen neuen Dekaden-Höchststand markiert. Dieser wird angesichts der aktuellen Entwicklungen leider nicht der letzte Rekord gewesen sein, auch wenn wir mittelfristig von einer Normalisierung des Niveaus ausgehen.

Notenbanken in der Zwickmühle

Die Notenbanken befinden sich somit in der Zwickmühle. Einerseits senden die Inflationsraten klare Signale einer notwendigen geldpolitischen Straffung, andererseits trüben die Unsicherheiten rund um die geopolitische Situation die Aussichten für die Weltwirtschaft ein und sprechen für eine Unterstützung in Form von Liquidität. Die amerikanische Notenbank ist hier noch in der besten Situation, da der geopolitische Einfluss auf sie geringer ist. Der Straffungskurs wird kommen, nur etwas schwächer als zuletzt erwartet. In Europa sind hingegen restriktivere Maßnahmen unwahrscheinlicher geworden. Vermutlich wird die EZB in der aktuellen Unsicherheit erstmal abwarten. Jedoch ist aufgrund des aktuell enormen Preisdrucks im weiteren Jahresverlauf auch hier eine straffere Geldpolitik zu erwarten. Vorerst wird die Realverzinsung in Europa jedoch weiter traurige Negativrekorde erreichen. Das sind vor allem für klassische Sparerinnen und Sparer sehr schlechte Nachrichten. Ihre Kaufkraft nimmt in diesem Umfeld deutlich ab. Aktien und Immobilien bleiben die wichtigsten Komponenten zum Schutz vor Inflation.

Amerikanische Aktien bevorzugt

Schaut man auf die Aktienmärkte, so kann man sich verwundert die Augen reiben. Die Nervosität ist schnell verschwunden, und die Marktteilnehmer sind zur Tagesordnung übergangen. Lediglich russische Aktien haben starke Verluste zu verzeichnen gehabt. Der große Ausverkauf an den Märkten ist somit vorerst ausgeblieben. Wir erwarten jedoch Angesichts der verbleibenden Unsicherheiten auch in den kommenden Monaten eine Phase erhöhter Kursschwankungen. Es empfiehlt sich in dieser Phase, amerikanische Aktien höher zu gewichten, da die Auswirkungen für die amerikanische Wirtschaft geringer ausfallen sollten. Zusätzlich profitiert der US-Dollar als Krisenwährung und von der aus US-Sicht positiven Zinsdifferenz. Die hohen Inflationsraten werden weiter Rohstoffwerte und Energieunternehmen stützen.

Nachhaltigkeit erlebt herben Rückschlag

Die Nachrichten der vergangenen Wochen muten an wie aus einer anderen Zeit. Rüstungsausgaben werden drastisch erhöht, die längere Nutzung von Kohle- und Atomkraftwerken wird diskutiert und der CO2-Preis fällt um 50 Prozent. Der in dieser Woche veröffentlichte Weltklimabericht verdeutlicht jedoch, die Erderwärmung ist real und hat sich stark beschleunigt. Bereits 2030 droht demnach ein Temperaturanstieg um 1,5 Grad – zehn Jahre früher als bisher prognostiziert. Eine Folge werden noch mehr extreme Wetterlagen sein. Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen müssen also Ansporn sein, den Wechsel von fossilen Energieträgern zu alternativen Energieformen noch vehementer zu forcieren und die Abhängigkeit dadurch signifikant zu reduzieren. Einen Rückschritt können wir uns nicht erlauben, da er niemals wieder einholbar sein wird.

 


Daniel Schär, Leiter Portfoliomanagement Weberbank Actiengesellschaft

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