Finanzmarkt aktuell

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Das Portfolio eher defensiv gestalten: Der Kommentar von Dr. Martin Zurek, Portfoliomanager Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 14. Oktober 2022.

Autor: Dr. Martin Zurek, Portfoliomanager Weberbank
Beitragsfoto: BEST-BACKGROUNDS / Shutterstock

Die letzten Wochen waren sehr stark von Turbulenzen auf dem britischen Rentenmarkt und einer weiteren Verschärfung der Energiekrise in Europa geprägt. Lesen Sie mehr über die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen und die möglichen Folgen in dieser Ausgabe von Finanzmarkt aktuell.

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Turbulenzen am britischen Rentenmarkt

In Großbritannien wurden Ende September die Haushaltspläne der neuen Regierung bekanntgegeben. Ziel der Pläne war es, Familien und Unternehmen angesichts der hohen Inflation zu unterstützen und das Wachstum durch Steuersenkungen und Angebotsreformen zu stärken. Die geplanten Steuersenkungen sollen vor allem durch Kreditaufnahme finanziert werden, was die britischen Defizite im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz weiter erhöht. Dementsprechend waren die Reaktionen der internationalen Finanzmärkte auf die Haushaltspläne, die auch als „Mini-Budget“ bezeichnet werden, das genaue Gegenteil von „Mini“. Sie ließen das Pfund gegenüber dem Dollar auf den niedrigsten Stand seit gut 37 Jahren fallen und verursachten einen starken Anstieg der Zinsen für britische Staatsanleihen. Für die britischen Pensionsfonds, die in hohem Maße in britische Staatsanleihen investiert sind, hatte dies weitreichende negative Folgen, da die Kurse dieser Anleihen mit dem Anstieg der Zinssätze abstürzten. Um einen Zusammenbruch der Fonds und eine Ansteckung der Kreditmärkte zu verhindern, sah sich die Bank of England gezwungen, Staatsanleihen zu kaufen. Mitte Oktober will die Bank ihre Käufe wieder einstellen, so dass die Intervention, die zu einer Beruhigung der Zins- und Anleihemärkte geführt hat, lediglich als kurzfristige Lösung angesehen werden kann. Es bleibt daher ungewiss, ob die Pensionsfonds bis dahin ihre Verbindlichkeiten neu sortieren können oder die Zentralbank weiter in den Markt eingreifen muss. Da wir im Rahmen unserer Anlagestrategie nicht in britische Staatsanleihen investiert sind, sind wir von diesem Risiko nicht direkt betroffen. Wir beobachten diesen Markt jedoch sehr genau, um mögliche Ansteckungsgefahren auf andere Märkte zu berücksichtigen.

Negative Herbstprognosen

Während die Bundesregierung im April dieses Jahres noch von einem BIP-Wachstum von 2,2 Prozent in diesem und 2,5 Prozent im nächsten Jahr ausging, korrigierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck diese Erwartungen am Mittwoch in Berlin im Rahmen der Herbstprognose deutlich nach unten. Für das laufende Jahr wird ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,4 Prozent erwartet, während für das kommende Jahr ein Rückgang des Wirtschaftswachstums um 0,4 Prozent prognostiziert wird. Aufgrund der aktuellen Datenlage besteht das Risiko, dass die realen Wachstumszahlen für das nächste Jahr sogar deutlich niedriger ausfallen werden. Robert Habeck beschrieb die Situation als ernst: „Wir erleben derzeit eine schwere Energiekrise, die sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auswächst.“ Als Ursache für die Krise nennt er Putins Krieg in der Ukraine. Die hohe Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von russischen Gaslieferungen und die hohe Inflation belasten sowohl Produzenten als auch Konsumenten. Zwar wurde zuletzt ein 200 Milliarden Euro schwerer Rettungsschirm veranlasst, aus welchem die Strom- und Gaspreisbremse sowie Hilfen für Unternehmen finanziert werden sollen. Jedoch reicht dieser Schirm allenfalls aus, um die Folgen der Krise etwas abzufedern. In diesem angespannten wirtschaftlichen Umfeld ist es besonders wichtig, die Portfoliostruktur defensiv zu gestalten, was wir durch die Auswahl von Titeln mit hoher Kreditqualität und geringer Konjunktursensibilität erreichen.

Parteitag in China

Am 16. Oktober 2022 wird die Kommunistische Partei Chinas ihren 20. nationalen Parteitag abhalten. Es wird davon ausgegangen, dass der derzeitige Staats- und Parteichef Xi Jinping an der Spitze bleiben und seine dritte Amtszeit einläuten wird. Experten zufolge werden die entsprechenden Posten bereits im Vorfeld an die Kandidaten verteilt und erst auf dem Parteitag von den Delegierten öffentlich bestätigt. Der Parteitag ist also eher ein offizieller Rahmen als eine ernsthafte Wahl. Dennoch wird es wichtig sein, zu beobachten, wie stark Xi seine Machtposition nach außen präsentieren kann. Je mehr vor allem loyale Weggefährten in Spitzenämtern installiert werden können, desto weniger eingeschränkt wäre seine ohnehin sehr dominante Machtposition, was auch die politischen und wirtschaftlichen Risiken erhöhen würde. Es bleibt nur zu hoffen, dass die westlichen Regierungen aus der aktuellen Krise in Europa lernen und sich in Zukunft besser davor schützen, in riskante Abhängigkeiten von anderen Staaten zu geraten.


Dr. Martin Zurek, Portfoliomanager Weberbank Actiengesellschaft

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