Finanzmarkt aktuell

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Der Kommentar von Jan Gengel, Portfoliomanager Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 27. Januar 2023.

Autor: Jan Gengel, Portfoliomanager Weberbank
Beitragsfoto: James Mattil / Shutterstock

Die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger an den internationalen Kapitalmärkten hat sich in den letzten Wochen stark verbessert. Vom Pessimismus des Jahres 2022 war zuletzt nicht mehr viel zu spüren. Was es damit auf sich hat, und wie wir die Lage an den Märkten einschätzen, lesen Sie in der neuen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“.

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Auf einmal spricht kaum noch jemand von einer Rezession

Die Halbwertzeit von Prognosen ist manchmal sehr kurz. Ein gutes Beispiel hierfür liefert die jüngste Debatte unter Volkswirten über die Konjunkturaussichten für Europa. Vor einigen Wochen ging noch eine Mehrheit der Experten von einem starken Wirtschaftsabschwung im Jahr 2023 aus. Als Gründe wurden vor allem die hohen Energiepreise und die starken Leitzinsanhebungen der Europäischen Zentralbank angeführt. Doch in Anbetracht der seit Wochen rückläufigen Öl- und Gaspreise steigen die Chancen, dass der europäischen Wirtschaft eine Rezession erspart bleibt. Ein weitaus milderer Konjunkturabschwung – unter Fachleuten auch als „sanfte Landung“ bezeichnet – ist unter Marktbeobachtern nun das wahrscheinlichere Szenario. Zu diesem neuen Optimismus trägt auch bei, dass China vor kurzem seine COVID-Politik überraschend radikal geändert hat. Anstatt mit strikten Lockdowns auf immer wieder steigende Infektionszahlen zu reagieren, verzichtet die Regierung mittlerweile weitestgehend auf Pandemiemaßnahmen. Die Chancen stehen damit nicht schlecht, dass das Wirtschaftswachstum in China wieder anzieht, was insbesondere die europäische Exportindustrie positiv stimmen dürfte.

Anleihen trotzen den Hoffnungen!

Trotz der sich verbessernden Perspektiven ist der Rentenmarkt nicht wieder in alte Muster zurückgefallen. Eigentlich gilt die Regel: Bessere Konjunkturerwartungen sind schlecht für die Preise von Anleihen. Aber dieses Mal scheint vieles anders zu sein. Die verbesserte Konjunkturstimmung unter den Investoren hat zuletzt nicht mehr zu fallenden Notierungen bei Rentenpapieren bzw. zu steigenden Anleiherenditen geführt. Anscheinend erwarten die Marktteilnehmer mehrheitlich keine weiteren Zinsschritte von der EZB und der US-Fed, die über die bereits im Markt eingepreisten hinausgehen. Unterstützt wird diese Sichtweise vor allem durch die nochmals gesunkenen Erwartungen an die Entwicklung der Inflation. Hier scheint sich der rückläufige Trend der vergangenen Wochen zu verstetigen. So liegt etwa die Markterwartung für die Inflation in den kommenden 12 Monaten in den USA bei rund 2,4 Prozent und in Europa bei 2,3 Prozent. Aus unserer Sicht sind die stabilen Entwicklungen am Rentenmarkt dadurch gut nachvollziehbar und bestärken unsere Einschätzung einer relativ hohen Attraktivität von Rentenpapieren. Vor allem die aktuellen Renditeniveaus bei Unternehmensanleihen halten wir für besonders spannend.

Der Optimismus ist zurück an den Aktienmärkten

Die Aktienmärkte erleben aktuell einen fulminanten Jahresauftakt. Vor allem europäische Aktien sind selten zuvor mit so großen Pluszeichen im Januar gestartet wie dieses Mal. Die Sorgen der Anleger, die sich noch in der schwachen Kursentwicklung des Jahres 2022 ausdrückten, scheinen wie weggewischt. Nachlassende Rezessionssorgen und die Hoffnung, dass China nach dem Ende der Null-COVID-Politik schnell zu alter wirtschaftlicher Stärke zurückfindet, treiben die Aktiennotierungen an. Doch die Marktentwicklung mahnt auch zur Vorsicht, denn es ist unseres Erachtens noch unklar, inwieweit die steigenden Kurse auch durch entsprechend steigende Unternehmensgewinne untermauert sind. Aktuell öffnen die Unternehmen ihre Bücher und berichten über den Geschäftsverlauf im abgelaufenen vierten Quartal 2022. Die noch junge Berichtssaison verläuft bislang eher gemischt. Die Unternehmen spüren mehrheitlich die Konjunkturschwäche, die sich in leichten Umsatz- und Gewinnrückgängen widerspiegelt. Wir gehen davon aus, dass sich an diesem Bild auch im Jahr 2023 wenig ändern dürfte. Die Unternehmensgewinne sollten auf globaler Ebene leicht rückläufig bleiben. Für einige Branchen sind wir allerdings optimistischer gestimmt. Vor allem Finanz-, Industrie- und Luxusgüteraktien halten wir für attraktiv. Erstgenannte dürften zunehmend vom gestiegenen Zinsniveau profitieren. Für Industrie- und Luxusgüterwerte sprechen der unverändert hohe Auftragsbestand in diesen Sektoren und die positiven Aussichten, die mit einem Wiedererstarken der chinesischen Konjunktur zusammenhängen.


Jan Gengel, Portfoliomanager Weberbank Actiengesellschaft

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