Investiert bleiben trotz Höhenluft

Der Gipfel naht oder doch die Hochebene?

Investiert bleiben trotz Höhenluft

 

 

Autor: Daniel Schär
Finanzmarkt aktuell per 23. Juni 2023
Daniel Schär, Direktor Leiter Portfoliomanagement

Daniel Schär

Was haben Bergformationen mit der Zinspolitik der Notenbanken zu tun? Wie geht es weiter mit der Inflationsentwicklung? Wo sehen wir weitere Chancen am Aktienmarkt? Unsere Antworten auf diese Fragen erläutern wir Ihnen in der neuen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“.

Der Gipfel naht oder doch die Hochebene?

Kennen Sie den Unterschied zwischen Berg und Plateau? Für uns Flachlandtiroler in Berlin ist das im täglichen Sprachgebrauch eins. Deswegen habe ich das Lexikon bemüht: Berge und Hochebenen sind Landformen mit erhöhten Bereichen. Der Hauptunterschied zwischen Berg und Plateau besteht darin, dass ein Berg eine erhöhte, spitze Struktur aufweist, während ein Plateau einen erhöhten Bereich mit einer flachen Spitze besitzt. Ich möchte damit nicht das nötige Fachwissen für den anstehenden Sommerurlaub vermitteln, sondern stattdessen eine Analogie zur Zinspolitik der internationalen Notenbanken herstellen, denn diese bewegt sich auf ein Hochplateau zu. Vergangene Woche tagten die Zentralbanken der wichtigsten Industrienationen. In den USA wurde nach 10 Zinserhöhungen und einem Anstieg um insgesamt 5 Prozentpunkte eine Pause eingelegt, um den Marktteilnehmern die Chance zu geben, sich an das neue Höhenniveau zu gewöhnen. Mit den Turbulenzen im US-Finanzbereich in den vergangenen Monaten wurde bereits deutlich, dass nicht jeder Marktteilnehmer höhentauglich ist. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat das Niedrigzins-Basislager mit Verspätung im Spätsommer des letzten Jahres verlassen und somit noch Aufholbedarf. Bisher hob sie die Leitzinsen in 8 Schritten um insgesamt 4 Prozentpunkte an. Damit handelt es sich um die schärfste geldpolitische Straffung der vergangenen 50 Jahre (unter Einbeziehung der Bundesbank-Ära). Trotz weiterer avisierter Zinserhöhungen nähern wir uns allerdings langsam dem Hochpunkt, da das Zinsniveaus bereits deutlich restriktiv auf die Wirtschaft wirkt. Nach dem Zinshochpunkt erwartet uns jedoch nicht das nächste Tal, das durch baldige Zinssenkungen angesteuert wird. Vielmehr gehen wir von einem Hochzinsplateau aus, das uns über eine längere Zeit erhalten bleiben sollte. Der Hauptgrund dafür ist in der Inflationsentwicklung zu finden. Die Inflationsraten sind aktuell vor allem durch den abnehmenden Preisdruck bei Energie und Nahrungsmitteln rückläufig. Das Tempo des Rückgangs schwächt sich jedoch aufgrund von Zweitrundeneffekten durch beispielsweise Lohnerhöhungen und einen stabilen Arbeitsmarkt ab. Dieses Muster war auch historisch bei vergleichbaren Inflationsniveaus festzustellen. Die „Normalisierung“ der Inflation dauerte im Regelfall deutlich länger als erwartet. Wir gehen daher davon aus, dass das 2-Prozent-Ziel der Notenbanken über die kommenden Jahre verfehlt werden wird.

Investiert bleiben trotz Höhenluft

Allen Zinserhöhungen und Konjunktursorgen zum Trotz sind die Aktienmärkte seit Jahresbeginn zweistellig im Plus und haben vielfach neue Höchststände markiert. Seit dem vergangenen Oktober ist der EURO STOXX 50 sogar um ca. 30 Prozent gestiegen. Damit haben wenige gerechnet. Viele Investoren standen und stehen immer noch an der Seitenlinie und warten auf den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg. Auch wir sind skeptisch, ob der Aktienmarkt im weiteren Jahresverlauf weiter zulegen kann. Den optimalen Zeitpunkt für den Ausstieg, aber auch für den Einstieg zu treffen, hat jedoch mehr mit Glück als mit finanzthematischem Sachverstand zu tun und gelingt im Regelfall nicht. So wird aus der vermeintlichen Risikobegrenzung häufig eine langfristige Performancebelastung. Wir verzichten aus diesem Grund in unseren Vermögensverwaltungsmandaten im Aktienbereich auf eine aktive Steuerung der Liquiditätsquote. Wir gestalten stattdessen durch Über- und Untergewichtungen einzelner Branchen bzw. eine aktive Einzeltitelauswahl die Portfoliostruktur je nach Marktlage offensiver bzw. defensiver. Im aktuellen Umfeld, in dem die Wertentwicklung durch wenige Indexschwergewichte getragen wird, nehmen wir in stark gelaufenen Einzelpositionen Gewinne mit und positionieren uns insgesamt leicht defensiver. Chancen sehen wir unter anderem im nichtzyklischen Konsum, also dem klassischen Einzelhandel. Die Branche hat im letzten Jahr überdurchschnittlich stark unter den gestiegenen Rohstoffkosten gelitten und sollte nun vom abnehmenden Preisdruck profitieren. Typischerweise können diese Unternehmen in einem schwachen Wirtschaftsumfeld weiter stabile Erträge erwirtschaften und sich an der Börse besser behaupten als Unternehmen mit zyklischer Ausrichtung.

Haftungsausschluss:

Diese Darstellung der aktuellen Marktsituation haben wir entweder selbst angestellt oder aus von uns als zuverlässig angesehenen Quellen bezogen. Trotz Anwendung größter Sorgfalt können wir für die Richtigkeit unserer Einschätzungen keine Haftung übernehmen. Diese Darstellung ist nicht als Aufforderung zum Erwerb, Verkauf oder Halten bestimmter Wertpapiere intendiert.

Ansprechpartner für Journalisten:

Pressesprecher Robert Heiduck, (030) 8 97 98 - 388

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