Finanzmarkt aktuell Sonderausgabe

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Der Kommentar von Daniel Schär, Leiter Portfoliomanagement Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 17. März 2023.

Autor: Daniel Schär, Leiter Portfoliomanagement Weberbank
Foto: Weberbank

In der vergangenen Woche wurde die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB) geschlossen. Die größte Bankenpleite seit dem Jahr 2008 sendete Schockwellen durch das globale Finanzsystem, brachte die ohnehin angeschlagene Credit Suisse in Bedrängnis und erweckte Sorgen vor einer neuen Finanzkrise. Was die Entwicklung für Anlegerinnen und Anleger bedeutet, wollen wir in unserer heutigen Sonderausgabe von „Finanzmarkt aktuell“ beleuchten.

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Ein besonderes Geschäftsmodell

Die in Deutschland weitgehend unbekannte Silicon Valley Bank (abgekürzt SVB) ist eine US-amerikanische Regionalbank, zu deren Kunden vor allem Technologie-Unternehmen zählen. In den Boomjahren parkten viele junge Unternehmen ihre Einnahmen bei der SVB. Entsprechend wuchsen die Einlagen der Bank deutlich stärker als die Kreditvergabe. Die Bank musste das Geld anlegen und kaufte vor allem langjährige US-Staats- und Hypothekenanleihen. Als die US-Notenbank im vergangenen Jahr – als Reaktion auf die hohe Inflation – plötzlich die Zinsen stark anhob, erlitten die Anleihen deutliche Kursverluste. Zusätzlich geriet der Technologiebereich unter Druck, weil sich Kapital verteuerte und Investoren zurückhaltender wurden. Großkunden der SVB zogen ihre Einlagen ab. Die Bank sah sich gezwungen, Wertpapiere mit hohen Verlusten zu veräußern, um die Mittelabflüsse bedienen zu können. Dadurch wurden die bisherigen Buchkursverluste bilanzwirksam realisiert und lösten zusätzlichen Kapitalbedarf aus. Die Veröffentlichung der Information führte zum weiteren Abzug von Einlagen und letztlich zur Schließung der Bank.

Sorgen vor der Finanzkrise 2.0

Die Sorge vor einer Ausbreitung der Probleme auf weitere Institute und damit eine erneute Instabilität des Finanzsystems, wie wir sie im Jahr 2008 erleben mussten, führte zu deutlichen Verwerfungen an den internationalen Kapitalmärkten. Besonders Aktien von Finanzwerten standen aus Sorge vor Zweitrundeneffekten stark unter Druck. In den USA musste in den vergangenen Tagen mit der Signature Bank bereits eine weitere Bank ihre Türen schließen. In Europa stand vor allem die Schweizer Credit Suisse stark unter Druck. Das Unternehmen kämpft seit Jahren mit hausgemachten Problemen und leidet nun, ohne direkten Bezug zu den Entwicklungen in den USA, besonders unter dem Stimmungswechsel. Grundsätzlich eint alle Banken der im Jahr 2022 aufgelaufene hohe Kursverlust auf ihre Anleihebestände durch die enormen Zinserhöhungen der internationalen Notenbanken. Kurse von Anleihen bewegen sich in der Regel entgegengesetzt zu der Zinsentwicklung, so dass steigende Renditen mit rückläufigen Kursen einhergehen. 2022 war ein Jahr mit historisch hohen und sehr schnellen Zinsanstiegen, die zu Kursverlusten bei Anleihen geführt haben, welche in der Höhe seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr zu sehen waren. Dennoch gehen wir aber aus den folgenden Gründen nicht davon aus, dass es nun zu einem Domino-Effekt im Bankensystem kommen wird:

1.) Der Konkurs der Silicon Valley Bank ist nicht das Ergebnis fauler Kredite.

2.) Die sehr spezielle Kundenstruktur der Silicon Valley Bank hat die Entwicklung begünstigt.

3.) Die Regulierungsvorschriften für die US-Großbanken und die europäischen Banken sind viel strenger, als sie für die Silicon Valley Bank gewesen sind.

4.) Die systemrelevanten Banken verfügen über eine deutlich bessere Eigenkapitalausstattung als 2008.

5.) Die Aufsichtsbehörden, die US-Notenbank und die US-Regierung haben sofort reagiert und dürften bei weiteren Problemfällen umgehend aktiv werden.

Wette auf ein Ende der Zinserhöhungen

Die Entwicklungen im Finanzsektor hat bei Investoren Fragen aufgeworfen, ob der harte Zinserhöhungskurs der Notenbanken in der bisher antizipierten Form ohne weitere große Kollateralschäden aufrechtzuerhalten ist. Es gibt sogar erste Stimmen, die mit Zinssenkungen rechnen. Besonders eindrucksvoll sichtbar wird der Stimmungswechsel bei den Renditen zweijähriger US- Staatsanleihen. Diese verzeichneten mit einem Rückgang um 0,61 Prozentpunkte die stärkste Tagesveränderung seit mehreren Jahrzehnten.


Quelle: Bloomberg, Daten per 14.03.2023

Abnehmende Dynamik aber kein Ende erwartet

In dieser und nächster Woche kommen die internationalen Notenbanken zu turnusmäßigen Sitzungen zusammen und werden ihre Geldpolitik überprüfen. Die EZB hat mit einem weiteren Zinsschritt von 0,5 Prozent deutlich gemacht, dass das Thema Inflationsbekämpfung weiterhin hohe Priorität hat und die Finanzmarktstabilität durch andere Instrumente gewährleistet werden kann. Aufgrund der anhaltend hohen Inflationsraten und der robusten Arbeitsmärkte gehen auch wir nicht von einer kompletten Abkehr von der bisher sehr restriktiven Notenbankpolitik aus. Graduelle Anpassungen in der Dynamik halten wir aber in nächster Zeit durchaus für möglich. An den Kapitalmärkten ist somit das Umfeld erhöhter Unsicherheit zurück. Mit Aktien von Unternehmen mit soliden Bilanzen und hohen Eigenkapitalrenditen fühlen wir uns jedoch gut aufgestellt. In gemischten Portfolien haben Anleihen mit hoher Bonität, bei denen wir in den letzten Monaten sukzessive Bestände erhöht hatten, stabilisierende Wirkung gezeigt. Der Fokus auf hohe Qualität in der Auswahl der Anlagen bleibt in unseren Augen gerade im aktuellen Umfeld oberstes Gebot.

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