Generation Z verstehen

Die „Zoomer“ ticken anders als die Generationen vor ihr, in klassischen Unternehmen tun viele Chefs sich schwer, sich in die jungen Menschen hineinzudenken. Doch die Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis ist wichtig. Denn die Generation Z wird unsere Zukunft maßgeblich prägen.

TON AB, KAMERA LÄUFT. Im Produktionsraum von Berlins Neue Kinder (BNK) entsteht ein Film für den Kanal TikTok. Auftraggeberin – und Hauptdarstellerin – ist die Personalbeauftragte eines mittelständischen Berliner Unternehmens. Der Clip soll sie bei der Rekrutierung von Mitarbeiterinnen unterstützen. Ein typischer Auftrag für die junge Agentur in Berlin-Weißensee, die vor vier Jahren von Tanja Kamp, Nicolai Scholl und Nikolai Moritz an den Start gebracht wurde. BNK berät Unternehmen bei der Kommunikation mit „Zoomern“, den Menschen der Generation Z, und erstellt Bewegtbild-Content für den Einsatz in den sozialen Medien. Die Gründer und ihr Team gehören selbst überwiegend zu jener Generation, die vielen Älteren – insbesondere den Boomern – irgendwie suspekt erscheint. Zoomer, die unbekannten Wesen? Auf gewisse Weise schon, sagt BNK-GeschäftsführerinKamp. Denn auch wenn der Wille bestehe, sich in die Gen Zhineinzudenken, sei die Verunsicherung in den Unternehmen oft groß. Und diesen „Knoten im Kopf“ gelte es zu lösen. „In diesem Fall machen wir im ersten Schritt einen Workshop, damit die Kunden die Mechanismen in der Kommunikation verstehen, Vorurteile abbauen und ihre Berührungsängste verlieren.“

TANJA KAMP WEISS: DIE ERWARTUNGSHALTUNG IHRER KUNDEN IST HOCH, denn für viele Unternehmen geht es um nicht weniger als ihre Zukunft. Der allgegenwärtige Mangel an jungen Fachkräften verstärkt den Erfolgsdruck, der auf den HR-Kampagnen lastet, und auch Markenartikler merken mittlerweile, dass sie nicht nur die Tools, sondern auch die Inhalte ihrer Kommunikation überdenken müssen. Schließlich sind die Zoomer eine schwierige Zielgruppe: Anspruchsvoll, was Qualität anbelangt, sind sie bereit, für umweltfreundliche und ethische Produkte mehr Geld auszugeben, aber legen großen Wert auf Nachhaltigkeit. Zudem ist ihr Konsumverhalten stark von dem Hang zur Individualität und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung geprägt: Sie erwarten Produkte und Dienstleistungen, die ihre Persönlichkeit widerspiegeln und sie dabei unterstützen, sich von der Masse abzuheben. Deshalb bevorzugen sie Marken, die ihnen ein Gefühl von Einzigartigkeit vermitteln.

DASS BEWEGTBILD-CONTENT IN DER MARKETINGKOMMUNIKATION mit Zoomern das Mittel der Wahl ist, liegt in ihrer digitalen Sozialisierung begründet: Gen Z ist die erste Generation, die mit digitaler Technologie aufgewachsen ist. Sie hat sich ihre Fähigkeiten intuitiv erarbeitet und bewegt sich völlig sicher in den digitalen Medien. Diese Sicherheit geht einher mit einem guten Gespür für die Authentizität von Inhalten – Zoomer hinterfragen diese kritisch. So folgen sie lieber einem Influencer, mit dem sich identifizieren können, als einer Marketingkampagne, die nach dem Gießkannenprinzip arbeitet. Und sie erwarten und geben Feedback, in kurzen Intervallen. Dieses Profil beeinflusst nicht nur die Wahl der Kommunikationskanäle, sondern auch den Content und dessen Sprache: „Wertschätzung ist wichtig, Emotionalität, Ehrlichkeit. Potenzielle Arbeitgeber und Marken müssen neue Narrative entwickeln, um die Generation Z zu erreichen“, sagt Tanja Kamp.

DAS STIMME, SAGT DR. MARTIN KLAFFKE – EINERSEITS. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin forscht unter anderem daran, wie Generationen im Arbeitsalltag miteinander zurechtkommen und welches Potenzial für die Gesellschaft sich daraus ableiten lässt. Er sieht Ältere und Jüngere gleichermaßen in der Verantwortung, aufeinander zuzugehen und ein echtes Verständnis füreinander zu entwickeln. Die Menschen der Generation Z seien oft sehr behütet aufgewachsen, mit toleranten Eltern, die mehr Berater als Erzieher sein wollen und diese Rolle lange ausfüllen. Zudem sei die Gen Z besser gebildet als die Vorgängergenerationen, das Wissen um ihre Wichtigkeit als Arbeitnehmerinnen und Konsumenten mache sie selbstbewusst. Aber dieses Selbstbewusstsein sei fragil: „Was die Jungen erleben, ist eine massive Unsicherheit. Die Unwägbarkeiten scheinen größer als bei den Generationen zuvor.

Globale Krisen, unendlich viele Optionen – auch bei der Studien- und Berufswahl – kennzeichnen ihre Lebenswirklichkeit.“ Deshalb suche Gen Z nach Orientierung und Stabilität, nicht zuletzt im Berufsleben. „Man spricht mitunter vom Re-Grounding. Zurück zu mehr Bodenständigkeit.“ In dieser stabilen Welt ist das Privatleben ein fester Anker – Work-Life-Balance als Grundbedürfnis. „Die Jungen sind nicht per se träger als die Generationen zuvor“, sagt Martin Klaffke. „Sie haben an ihren Eltern, die ja zum großen Teil aus der Generation X stammen, gesehen, wie sehr diese ihre privaten Belange für die Arbeit zurückgestellt haben. Das entspricht nicht ihren Vorstellungen. Mit der richtigen Motivation sind zwar auch die jungen Leute bereit, eine Extrameile zu gehen. Doch die Extrameile ist nicht mehr unbedingt so lang wie früher.“

KLAFFKE SIEHT DIE NOTWENDIGKEIT, DIE JUNGEN LEUTE „ABZUHOLEN“, auf Augenhöhe zu diskutieren, im ständigen Dialog zu bleiben, selbst wenn es anstrengend sei. Andersherum „kann es durchaus hilfreich sein, sich als junger Mensch in die hineinzuversetzen, die schon länger im Arbeitsleben stehen. Wie sah es in Unternehmen aus, als dort die Älteren losgelegt haben? Wie sind diese Menschen aufgewachsen?“

REICHT GEGENSEITIGES VERSTÄNDNIS für ein positives Miteinander der Generationen schon aus? Fakt ist, dass die Boomer allmählich in Rente gehen und die Gen Z mit einer etwa halb so großen Population in absehbarer Zeit das Ruder übernehmen wird. Sie tritt ein schwieriges Erbe an – allem voran beim Thema Umweltschutz und Ressourcenschonung. Doch die Zoomer bringen wichtige Stärken mit, um ihre Aufgaben zu meistern und die Gesellschaft weiterzubringen. So hat die Generation Z ein tiefgreifendes Verständnis für digitale Technologien und die Möglichkeiten, die sie bieten. Diese Fähigkeiten können in vielen Bereichen von Vorteil sein, von der Arbeitswelt bis hin zu den sozialen Beziehungen. Zudem ist sie sehr anpassungsfähig und hat sich gut in die sich schnell verändernden Bedingungen hineingefunden, die durch die Coronapandemie verursacht wurden. Ein weiterer positiver Einfluss liegt in ihrem Engagement für soziale und politische Themen. Die Mitglieder dieser Generation sind sehr an den Herausforderungen interessiert, die die Welt heute beschäftigen, zum Beispiel die Klimakrise und die Förderung der Gleichberechtigung. Darüber hinaus sind sie aktiv in der Unterstützung sozialer Bewegungen und setzen sich energisch für Veränderungen ein. Und: Sie zeigen Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen. Die Generation Z hat ein großes Interesse daran, andere Perspektiven und Erfahrungen kennenzulernen; Vielfalt und Inklusion besitzt für sie einen hohen Stellenwert.

TECHNIKAFFINITÄT, ANPASSUNGSFÄHIGKEIT, ENGAGEMENT UND TOLERANZ: Womöglich sind es genau diese Stärken, die uns und den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft ermöglichen. Wenn dafür eine echte Akzeptanz des Gegenübers gefordert ist und es auf dem Weg dorthin auch mal ruckeln kann, ist das ein sehr fairer Preis. Dienstleister wie BNK aus Berlin-Weißensee stehen mit ihren Werkzeugkoffern bereit, um an – eingerosteten – Schrauben zu drehen.

Text: Katharina Hummert
Foto: © Katharina Bourjau
Datum: März 2023

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