Grüne Hochhäuser

Grüne Hochhäuser


Ein vertikaler Wald in Mailand, Gemüsebeete auf den Dächern von Singapur – Versuche, die Lebensqualität von Stadtbewohnern durch Pflanzen zu verbessern. Können grüne Hochhäuser auch eine Option für Berlin sein?

Ein vertikaler Wald in Mailand, Gemüsebeete auf den Dächern von Singapur – Versuche, die Lebensqualität von Stadtbewohnern durch Pflanzen zu verbessern. Können grüne Hochhäuser auch eine Option für Berlin sein?

Text: Anke Bracht, Foto: Stefano Boeri Architetti

Die grünste Stadt der Welt – da kommt einem so mancher Name in den Sinn, aber nicht unbedingt Singapur. Doch die südostasiatische Metropole darf sich seit 2017 mit dieser Auszeichnung des Weltwirtschaftsforums schmücken. Zurecht, denn dort gelingt etwas, das anderswo noch in den Kinderschuhen steckt: Die vertikale Begrünung von Gebäuden voranzutreiben und damit aktiv gegen die Feinstaubbelastung vorzugehen. Entsteht ein neues Hochhaus in Singapur, sind Projektplaner verpflichtet, auf Balkonen Grünflächen anzulegen und auf den Dächern Gärten zu schaffen, die der Erholung der Bewohner dienen. Zum Vergleich: Der Stadtstaat ist mit 719 Quadratkilometer Gesamtfläche um einiges kleiner ist als Berlin mit 892 Quadratkilometern, beherbergt jedoch mit 5,6 Millionen Einwohnern gut anderthalbmal so viele Menschen wie die deutsche Hauptstadt. Trotzdem wachsen Bäume, Büsche und Rasen auf 30 Prozent der Gesamtfläche. Das sei eine „deutlich dichtere Bepflanzung als in jeder anderen Großstadt der Welt“, begründeten die Experten des Weltwirtschaftsforums ihre Wahl.

Grüne Hochhäuser machen weltweit Schule

Doch auch jenseits der südostasiatischen Vorzeigemetropole tut sich was. So ließ Star-Architekt Jean Nouvel, der u.a. die Galeries Lafayette in Berlin konzipierte, im australischen Sydney einen Hochhauskomplex errichten, an dessen Fassaden mehr als 200 einheimische Pflanzen gedeihen. Das Bepflanzungskonzept stammt von Patrick Blanc, einem der wichtigsten Wegbereiter der „vertikalen Stadtbegrünung“. Als erstes grünes Wohnhochhaus Europas wurde 2014 der „Bosco Verticale“ in Mailand fertiggestellt. In den Fassaden der 80 und 110 Meter hohen Zwillingstürme sind rundum 1,30 Meter tiefe Betonkästen eingelassen, die Platz für 2.000 Sträucher und für bis zu neun Meter hohe Bäume bieten. Der ikonische Entwurf setzte Maßstäbe: Noch im Jahr der Fertigstellung konnte sich Architekt Stefano Boeri über zwei Auszeichnungen freuen. Sein „vertikaler Wald“ gewann den Internationalen Hochhauspreis und belegte beim Emporis Skyscraper Award den zweiten Platz. Der nächste „Bosco Verticale“ entsteht derzeit in Lausanne.

Begrünte Fassaden – ein wichtiges Thema für Großstädte

Grüne Architektur und insbesondere die Begrünung von Fassaden sind ein immer wiederkehrendes Thema, insbesondere für die sich aufheizenden Großstädte. Dem sollen Pflanzen entgegenwirken, denn sie geben bei der Fotosynthese Feuchtigkeit ab und kühlen damit sich und gleichzeitig die Umgebung. Außerdem spenden sie Schatten. Beides bleibt nicht ohne Effekt: Die Temperatur einer bewachsenen Fassade kann bis zu 10 Grad weniger betragen als die einer nicht bewachsenen. Zudem dämmen Pflanzen den Verkehrslärm – und sie reinigen die Luft. Patrick Blanc bezeichnet Pflanzen als „Biofilter“, die Kohlendioxyd in Sauerstoff wandeln und Moleküle einfangen, welche die Luft verschmutzen.

Berlin entwickelt „Hochhausleitbild“

Das klingt alles gut, trotzdem tut sich Deutschland schwer mit den grünen Hochhäusern. Ein Grund ist sicher der zusätzliche Aufwand: Das Fassadengrün muss geschnitten und, wenn es nicht in der Erde verwurzelt ist, auch gegossen werden. Ein weiterer Punkt sind die Bauphysik und der Brandschutz, die bedacht werden wollen. So mancher Projektentwickler dürfte auch die Haftungsfrage scheuen, wenn etwa bei starkem Wind Pflanzenteile herabstürzen. Und schließlich gibt es auch bei den Bewohnern bedenken – wer wünscht sich schon Mäuse oder Spinnen auf dem Balkon. Trotzdem: In einer Zeit, in der immer mehr Menschen – auch bei uns – in Städten leben möchten, können grüne Hochhäuser dazu beitragen, die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern. In der deutschen Hauptstadt ist diese Botschaft angekommen, dort könnten begrünte Fassaden und Dachgärten bald Wirklichkeit werden: Der Berliner Senat entwickelt zur Zeit ein „Hochhausleitbild“, das sich u.a. auch diesem Thema widmet. Ziel ist es, zum Ende des Jahres eine Beschlussempfehlung an das Abgeordnetenhaus abzugeben. Einen kleinen Vorgeschmack auf „grüne Zeiten“ gibt es schon heute: An der Fassade der Galeries Lafayette hat Patrick Blanc 2008 einen 70 Quadratmeter umfassenden vertikalen Garten installiert, der in den Sommermonaten die Blicke auf sich zieht.

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