Harald Christ: Mann mit Aufgabe

Harald Christ: Mann mit Aufgabe


Seit mehr als 30 Jahren bringt Harald Christ Menschen in den Dialog – mit viel Gespür für das Gegenüber wie für die Sache. Das hat den engagierten Unternehmer zu einem der wichtigsten Impulsgeber des Landes gemacht.

Seit mehr als 30 Jahren bringt Harald Christ Menschen in den Dialog – mit viel Gespür für das Gegenüber wie für die Sache. Das hat den engagierten Unternehmer zu einem der wichtigsten Impulsgeber des Landes gemacht.

Text: Anke Bracht, Foto: Steffen Roth

Wilmersdorf, Preußenpark. Die Gründerzeitbauten stehen dicht an dicht, ihre sanierten Fassaden strahlen in der Frühlingssonne. Mittendrin in diesem bürgerlichen Kiez, im Haus am Preußenpark, hat sich Harald Christ einen Ort der Ruhe und Konzentration geschaffen. Dort treibt er seine Projekte voran, trifft Mandanten, schreibt Vorträge, plant Reisen. Und immer wieder bringt er Menschen ins Gespräch – in privatem Kreis ebenso wie bei den „Berliner Salon“-Veranstaltungen seines Beratungsunternehmens Christ & Company. In diesem Moment allerdings ist er ganz auf seinen Kaffee konzentriert. Schnell wird klar: Dieser Mann genießt auch die kleinen Dinge des Lebens. Und ist dabei völlig präsent im Hier und Jetzt. „Mir war dieses Übergreifende, das, was die Gesellschaft zusammenhält, schon immer sehr wichtig“, begründet der Unternehmer seine inzwischen 30-jährige Netzwerkarbeit, „wo es kein Oben und Unten gibt, wo Menschen nicht über Visitenkarten definiert werden, sondern wo es um den Charakter geht. Um die Persönlichkeit.“ Wenn sich heute Entscheider und Multiplikatoren verschiedenster Interessengruppen aus Medien und Kultur, Politik und Wirtschaft bei ihm einfinden und jenseits der Öffentlichkeit über aktuelle Themen wie Transformation oder eine beschleunigte Gesellschaft diskutieren, sieht er sich im konsequenten Handeln auf seinem Lebensweg bestätigt. Denn Harald Christ ist nicht nur ein brillanter Netzwerker, er ist auch ein Mensch, der nichts dem Zufall überlässt. Seine eigene Zukunft am allerwenigsten. Und die beginnt am Rhein.

Im Februar 1972 kommt Harald Christ in der rheinland-pfälzischen Stadt Worms zur Welt, „in einem Umfeld, wo Geld Mangelware war“, wie er selbst sagt. Das hat ihn geprägt, hat seine Definition von Wohl- stand bestimmt – nämlich als die Unabhängigkeit, freie Entscheidungen treffen zu können. „Unabhängigkeit entsteht aber nicht nur im Geldbeutel, sondern auch im Kopf“, sagt Christ, „die rationelle oder geistige Unabhängigkeit ist mir genauso wichtig.“ Danach entscheiden zu können, „was einem guttut, auch auf die Gefahr hin, dass es ökonomisch nicht von Vorteil ist“, so lautet sein Credo. Ebenso wichtig sei es für ihn, die Bodenhaftung zu behalten, geerdet zu sein: „Erfolg ist volatil. Und mit jeder Stufe nach oben wird der Abstieg schwieriger. Deshalb sind eine gewisse Demut und auch der Respekt vor der Verantwortung und vor dem, was man tut, das Entscheidende.“

Diese Verantwortung sucht er früh. Bereits als Jugendlicher interessiert er sich für Politik und tritt in die SPD ein, deren Mitglied er bis heute ist. Er engagiert sich in Vereinen und Initiativen und entwickelt ein starkes Interesse am Netzwerken – zu einer Zeit, als dieser Begriff noch gar nicht existiert. Soziales Engagement wird zu einem selbstverständlichen Teil seines Lebens. Er schreibt ein Buch über Bildungspolitik, unterstützt Einrichtungen für benachteiligte Jugendliche, ist Dozent an zwei Hochschulen, bringt seine Expertise in Aufsichtsräten großer Unternehmen ein. Noch in diesem Jahr soll die Harald-Christ-Stiftung für Demokratie und Vielfalt ihre Arbeit aufnehmen.

Fast nebenbei gelingt ihm eine selbstbestimmte Karriere, die ihn immer wieder zwischen Positionen im Topmanagement verschiedener Branchen und Konzerne und den eigenen Firmen und Beratungsgesellschaften wechseln lässt. Im Bundestagswahlkampf 2009 war er als Wirtschaftsminister im Schattenkabinett des Kanzlerkandidaten und heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier aufgestellt. Dabei ist dieser scheinbar mühelose Swift nicht nur Ausdruck von Vielseitigkeit und einem nie versiegenden Wissensdrang, sondern vielmehr als das konsequente Handeln eines Menschen zu verstehen, der sich in seiner Arbeit verwirklichen möchte. Er sei gern „zwischen den Welten gewandelt“, sagt Harald Christ rückblickend und betont die Wichtigkeit, auch in Managementfunktionen stets unternehmerisch agieren zu können. „Ohne einen Grad an Freiheit oder eine gewisse Unabhängigkeit, die Dinge so zu gestalten, wie ich sie für notwendig und richtig halte, hätte mir eine Konzernrolle keine Freude gemacht.“ Bei der Weberbank war ihm genau das möglich. Als Generalbevollmächtigter und Leiter der Kreditabteilung brachte er sich in der zweiten Hälfte der Nullerjahre dort ein. Seine bisher letzte Station als Manager war bei der ERGO Group in Düsseldorf. Dort leitete er die Beratung und Vertrieb AG und war Vorstandsmitglied der ERGO Deutschland AG. Ende 2017 schließt er dieses Kapitel, zahlreiche Offerten für hoch dotierte Spitzenfunktionen lehnt er ab – Zeit für Neues.

„Ich wollte etwas machen, was mir am meisten Spaß bringt, nämlich der Dialog mit Menschen. Also Menschen verbinden, daraus gute Kontaktpunkte erarbeiten und für das Umfeld einen Mehrwert generieren.“ Aus der Idee wird bald ein Geschäftsmodell: Network Solutions. „Mein Ziel ist es, spannende Personen zusammenzubringen, die sich vielleicht nicht kennen – oder sich kennen und nicht wissen, was der andere macht – und die dann gemeinsam Geschäftsstrategien entwickeln und diese erfolgreich weiterführen.“ Dazu lädt Harald Christ regelmäßig in die Brandenburgische Straße und ermöglicht seinen Gästen einen „offenen, schnörkellosen Austausch. Und jeder hier weiß, dass Vertrauliches vertraulich bleibt.“ Letzteres dürfte für viele seiner Gäste wohl der größte Mehrwert sein. In Zeiten, da Privatsphäre vielerorts de facto nicht mehr stattfindet, bietet Christ den Teilnehmern der Dialogrunden nicht nur eine hochkarätige Plattform, sondern auch einen sicheren, geschützten Raum zur freien Debatte. Für ihn selbst seien diese Veranstaltungen eine große persönliche Bereicherung, sagt der Netzwerker – und mehr als das, nämlich eine Aufgabe: „Permanent zu überlegen, wo man helfen, wo man unterstützen kann, das ist die Kern-DNA meines Handelns.“

So bedeckt sich Harald Christ gibt, wenn es um Personen geht, so offen geht er mit der Frage um, wie er es geschafft hat, sein Netzwerk zu dem zu machen, was es heute ist. „Zuerst war es harte Arbeit, Menschen kennenzulernen, zu begeistern, für gemeinsame Ideen zu gewinnen. Ich komme ja aus einem Umfeld, wo mir kein Netzwerk in die Wiege gelegt wurde“, sagt der Unternehmer. Inzwischen lebe er ganz selbst- verständlich in seinem Netzwerk, denn da flössen privates Engagement, sein Zugang zu Menschen und unternehmerisches Interesse zusammen. Ist er am Ziel? Das mag er so nicht unterschreiben. Christ weiß aus Erfahrung, dass nichts beständiger ist als der Wandel. Also nutzt er die Gunst des Augenblicks, aus dem Impuls heraus. Viele Kontakte stelle er einfach aus einem Gefühl der Wertschätzung her, ohne jeden ökonomischen Aspekt: „Natürlich habe ich auch Mandanten, bei denen die Komplexität der Beratung und der Themen, die ich dort betreue, so zeitintensiv ist, dass daraus dann gute Beziehungen entstehen.“

Doch selbst ein Harald Christ muss sich manchmal geschlagen geben – und sei es nur durch die Endlichkeit des Seins. Denn wenn er sich für seine Runde einen Ehrengast wünschen dürfte, dann wäre es Helmut Schmidt gewesen. Zum Altkanzler und dessen Frau Loki habe er seit seiner Zeit in Hamburg eine „Sonderverbindung“ gehabt. „Er wäre bestimmt ein spannender Gesprächspartner gewesen“, sagt er mit einem leisen Lächeln. Harald Christ muss es wissen. Wenn nicht er, wer sonst? Es ist seine Aufgabe.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 29. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

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