Inflation – gekommen, um zu bleiben?

Inflation – gekommen, um zu bleiben?


Wirtschaft & Trends: Jan Gengel, Portfoliomanager der Weberbank, äußert sich zur aktuellen Inflationsentwicklung und wirft einen Blick auf die zweite Jahreshälfte.

Wirtschaft & Trends: Jan Gengel, Portfoliomanager der Weberbank, äußert sich zur aktuellen Inflationsentwicklung und wirft einen Blick auf die zweite Jahreshälfte.

Text: Jan Gengel, Foto: nuchao / Shutterstock

7,5 Prozent betrug der Anstieg der Verbraucherpreise in den USA im Monat Januar. In Europa liegen die Zahlen mit 5,1 Prozent zwar ein wenig niedriger, jedoch ebenfalls auf einem Dekadenhoch. Die Frage ist somit nicht mehr, ob die Inflation erhöhte Niveaus erreicht, sondern wie lange sie dort verharrt. Die Ursachen für die enormen Preisanstiege liegen meines Erachtens primär in der disruptiven Wirkung der Covid-19-Krise, vornehmlich in den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen und den gestörten internationalen Lieferketten. Für diese Entwicklungen gab es jedoch kaum historische Vergleiche, und so wurden die Effekte unisono von Volkswirten und Notenbanken unterschätzt. Letztere haben nun deutlich restriktivere Maßnahmen in Aussicht gestellt und so zu erheblicher Verunsicherung seitens der Marktteilnehmer beigetragen.

Auf die Inflationsentwicklung wirken aktuell starke Basiseffekte, vor allem im Rohstoffbereich. Sie dürften auch noch in den kommenden Monaten für erhöhten Preisdruck sorgen, sollten aber in der zweiten Jahreshälfte an Wirkung nachlassen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es nicht zu einem Embargo von Energielieferungen kommt, was die Preise nochmals deutlich anziehen lassen dürfte. Aber auch ohne weitere Sonderbelastungen dürften die historisch niedrigen Vorkrisenniveaus vorerst nicht wieder erreicht werden. Vor allem der grundsätzlich positive Konjunkturtrend, verbunden mit einer sehr guten Entwicklung am Arbeitsmarkt und entsprechenden Lohnsteigerungen, sollten für erhöhte Preisniveaus sorgen. Daher dürften die Notenbanken zumindest Teile ihrer ins Schaufenster gestellten restriktiveren Maßnahmen auch umsetzen. So ist in den USA nicht nur mit einem Ende der Anleihenkäufe und mehreren Leitzinserhöhungen zu rechnen, sondern gar mit einer Verringerung der vorhandenen Liquidität.

Vor solch drastischen Maßnahmen wird die Europäische Zentralbank (EZB) meines Erachtens zurückschrecken. Zu groß wären die Verwerfungen an den europäischen Anleihemärkten. In den vergangenen Jahren hat die EZB stets kalte Füße bekommen, sobald Renditeanstiege bei Staatspapieren aus Südeuropa zu schnell und zu groß wurden. Eine Normalisierung ihrer Geldpolitik ist daher nicht erfolgt. Natürlich sind wir nun in einem anderen inflatorischen Umfeld, jedoch sollten diese hohen Niveaus nicht von Dauer sein. Dagegen sind die staatlichen Verschuldungsprobleme durch die Pandemie nochmals größer geworden. Natürlich ist die EZB eine unabhängige Institution, die der Preisniveaustabilität verpflichtet ist. Jedoch kann sie keine erneute Krise unserer Gemeinschaftswährung riskieren. Ihr sind daher die Hände gebunden.

Doch was ist nun zu erwarten? Vermutlich werden auch in Europa die Liquiditätsschleusen schrittweise geschlossen. Jedoch dürfte sich die vorhandene Geldmenge nicht spürbar verringern, ein signifikanter Unterschied zu den USA. Auch sollte die EZB, wenn überhaupt, nur vorsichtig an der Zinsschraube drehen. Weitere Maßnahmen sind frühestens im kommenden Jahr zu erwarten und auch nur, wenn es die wirtschaftliche Entwicklung zulässt und die Geopolitik nicht erneute Unterstützung erfordert. Eine wirkliche Normalisierung rückt so in weite Ferne.

 


Jan Gengel, Portfoliomanager Weberbank Actiengesellschaft

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