Lautlos fürs Klima

Lautlos fürs Klima


Mit dem neuen E-Bike-Abonnement Dance landet SoundCloud-Gründer Eric Quidenus-Wahlforss seinen nächsten Hit. Dabei geht es ihm um weit mehr als nur das nächste gute Geschäft.

Mit dem neuen E-Bike-Abonnement Dance landet SoundCloud-Gründer Eric Quidenus-Wahlforss seinen nächsten Hit. Dabei geht es ihm um weit mehr als nur das nächste gute Geschäft.

Text: Anne Rudelt, Foto: Alena Schmick

Als er 2019 entschied, eine Auszeit zu nehmen, hatte Eric Quidenus-Wahlforss noch kein genaues Ziel vor Augen, wie es danach für ihn weitergehen sollte. Fest stand für ihn nur, dass er die Zeit nutzen wollte, um sich dem Thema zu widmen, das ihn seit seiner Jugend begleitet. Klimaschutz und Nachhaltigkeit packten den Schweden 2006 endgültig, als er gemeinsam mit dem Freund und späteren SoundCloud-Mitbegründer Alexander Ljung Al Gores Film „Eine unbequeme Wahrheit“ zum ersten Mal sah. „Ich erinnere mich, dass wir aus dem Kino kamen und wirklich zutiefst erschüttert waren. Wir wussten: Ab jetzt ist alles anders. Das Thema hat mich nie mehr losgelassen.“ Quidenus-Wahlforss wächst in der Nähe von Stockholm auf, elektronische Musik ist seine erste Leidenschaft. Die Mutter ist Leiterin eines Kirchenchors und Organistin, der Vater Henrik Wahlforss einer der renommiertesten und innovativsten Industriedesigner Schwedens. Er beschäftigt sich bis zu seinem Tod 2016 intensiv mit Zukunftsfragen und entwirft 1982 in seinem Buch „Nordic 2030“ die Vision einer humanen, nachhaltigen Gesellschaft, die auf Gemeinschaft und kleinen Initiativen basiert.

Gerade einmal zehn Jahre alt, beginnt Eric zu programmieren, bald auch Musik. Dass man daraus einen Beruf machen könnte, war zu diesem Zeitpunkt jenseits seiner Vorstellungskraft. Überhaupt war es keineswegs so, dass er großgezogen wurde mit dem Gedanken, dass man Gründer sein könnte, schon gar nicht in dem Maß, wie er es inzwischen ist. Diese Bodenständigkeit strahlt der Schwede bis heute aus: ruhig, freundlich und zurückgenommen. Sein Werdegang und der internationale Bekanntheitsgrad, den Quidenus-Wahlforss sich inzwischen erarbeitet hat, springen das Gegenüber nicht an. Gemeinsam mit Ljung gründete er Ende 2007 Sound Cloud, eine Plattform zum Teilen von Musik. Die zwei jungen Schweden starteten ihre Firma in Berlin, weil ihnen die Atmosphäre der Stadt und ihre Gründerszene gefielen, aber auch weil die Hauptstadt damals als vergleichsweise preiswert galt – ein ausschlaggebendes Argument für die zwei jungen Gründer, die sich selbst und ihren Mitarbeitenden in den ersten Monaten kaum einen Cent Gehalt zahlen konnten. Doch ihr Feuer und ihr Einsatz sollten bald belohnt werden, bereits nach kurzer Zeit hatte sich SoundCloud mit den niedrigschwelligen Nutzungsmöglichkeiten eine stetig wachsende Community aufgebaut, die mit der Möglichkeit begeistert, unabhängig von Plattenfirmen die eigene Kreativität mit Gleichgesinnten zu teilen. Heute ist die Plattform einer der größten Musikstreamingdienste weltweit, Quidenus-Wahlforss selbst hat sich 2019 in eine Beraterfunktion zurückgezogen.

Schon damals war ihm klar, dass er diesen Rückzug und das Sabbatical nicht in einem ostasiatischen Wellnesstempel verbringen würde. Hinter der ruhigen Ausstrahlung verbirgt sich ein rastloser, wacher Geist. Quidenus-Wahlforss wollte reisen, Gespräche führen, Ein drücke sammeln und vor allem immer mehr Wissen in den beiden Gebieten erwerben, die er inzwischen als seine Kernthemen erkannt hat – Klimawandel und Nachhaltigkeit. „Das empfinde ich nicht als Arbeit. Es fällt mir zu, wenn es mir Spaß macht“, erklärt er. „Darum ist es mir zugleich auch ein Anliegen, Dinge zu schaffen, die Menschen begeistern.“ Dass er dies nicht nur mit Musik erreichen kann, ahnt er schnell. „Was könnte ich mit meinem spezifischen Hintergrund beitragen? Das war die Frage, die mich umtrieb. Ich bringe Tech-DNA mit, also Ingenieursdenken; gutes Design ist für mich essenziell, und ich möchte ein Verbraucherprodukt entwickeln. Etwas, das ich sehen und fühlen kann, das Freude bereitet.“ Er erinnerte sich an Besuche in der San Francisco Bay Area, gemeinsam mit Alexander Ljung, bei denen sich beide intensiv mit Gemeinschaft und Vertrauen in internetbasierten Räumen auseinandersetzten. Dieses Wissen hatten sie schon bei SoundCloud anwenden können – warum nicht jetzt erneut?

Es ist die Elektromobilität, die sein Interesse geweckt hat. Bereits 2015 hatte Quidenus-Wahlforss in ein damals kleines kalifornisches Start-up investiert, das E-Skateboards auf den Markt brachte. Dass die nicht das Fortbewegungsmittel sein würden, das die Menschen massenhaft vom Auto wegbringt, war ihm natürlich klar. Doch das Thema ließ ihn nicht mehr los, und nachdem er den Pauseknopf des Sabbaticals losgelassen hatte, begann er, seine neuen Ideen in Umlauf zu bringen. „Die Arbeit ist ein wirklich großer Teil meines Lebens, also muss sie zu mir passen. Das muss auch für die Menschen gelten, mit denen ich meine Ideen umsetze“, sagt Quidenus-Wahlforss. Es war also nur folgerichtig, dass Freund und Wegbegleiter Alexander Ljung derjenige sein sollte, dem er seinen neuen Plan zuerst präsentiert: ein Abonnementsystem für E-Bikes. „Ein absolut weißer Fleck auf dem Markt bisher und keinerlei Nachteile!“ Sie sind überzeugt, dass E-Bikes den Fahrradmarkt innerhalb der nächsten zehn Jahre dominieren werden. An einigen Orten machten die elektrischen Fahrräder bereits mehr als 50 Prozent des Markts aus. Überhaupt seien sie auf der Liste der nachhaltigsten Fortbewegungsformen direkt hinter dem Laufen anzusiedeln. „E-Bikes werden wesentlich länger genutzt als klassische Fahrräder, werden also in der Summe deutlich weniger Abfall verursachen, als wir es heute kennen. Das E-Bike ist konkurrenzlos in seiner Nachhaltigkeit.“

Begeisterung steckt an, und weil drei besser sind als zwei, holen sie sich Jimdo-Gründer Christian Springub mit ins Boot: Dance ist geboren – der Name des Start-ups spielt auf die Musikleidenschaft der SoundCloud-Gründer an. Dann sorgt Corona für eine unfreiwillige Auszeit, auch bei dem Projekt. Allerdings zeigt sich bald: Das große C bringt einen Fahrradboom mit sich, speziell bei E-Bikes wächst die Nachfrage stark. Das Umweltbundesamt gibt an, dass sich bis zu 30 Prozent des derzeitigen Autoverkehrs auf das Fahrrad verlagern könnten – eine enorme Zahl, die Dance und der Idee der Gründer Rückenwind gibt. Sie möchten eine Gemeinschaft schaffen, die Städte lebenswerter, gesünder und klimafreundlicher macht. „Das starke Bewusstsein der Berlinerinnen und Berliner für ökologische Themen und die Innovationsfreude der hier ansässigen Start-up-Szene bilden den perfekten Ausgangspunkt, um eine globale Bewegung zu starten“, so Quidenus-Wahlforss. Eine Studie der Universität Oxford ergab, dass im Laufe eines Jahres etwa eine halbe Tonne Kohlendioxid von jeder Person eingespart wird, die täglich für eine Fahrt vom Auto aufs Fahrrad umsteigt – das Äquivalent eines One-Way-Flugs von London nach New York.

Auf einem Abendessen zum Theme Nachhaltigkeit hat Quidenus-Wahlforss während seiner Auszeit Maximilian Viessmann kennengelernt, den Co-CEO der Viessmann Gruppe, und ist schnell begeistert von dessen Idee, in einem Hinterhaus am Teutoburger Platz im Prenzlauer Berg einen Co-Working-Space der etwas exklusiveren und größer angelegten Art zu schaffen: den „Maschinenraum“. Viessmann hat bei der Planung ein starkes Augenmerk auf Nachhaltigkeit im Ausbau und bei der Inneneinrichtung und schafft es, ein siebenstöckiges Industriegebäude zu einem Ort der Vernetzung, Innovation und Kooperation für den deutschen Mittelstand zu machen. Das ist auch wieder ein Konzept von Gemeinschaft und Zusammenwirken, das Quidenus-Wahlforss begeistert. Dance findet dort sein Zuhause, und das Feintuning kann beginnen. Es entsteht ein Abokonzept, weil die Gründer überzeugt sind, dass ihre Community, die Menschen, die Dance international langfristig ansprechen möchte, maximale Flexibilität sucht und braucht. Dance bietet das Rundum-sorglos-Paket – monatlich kündbar, Concierge-Service, Diebstahlversicherung und Reparaturen inklusive. Obwohl die drei Gründer sich ihrer Idee sehr sicher sind und mit ihrem fliedermetallicfarbenen Rad große Zustimmung erleben, gehen sie es langsam an und starten mit einer ausgedehnten Testphase. Sie haben Feedback gesammelt, nachjustiert, und nun ist die Registrierung innerhalb des Berliner Stadtzentrums möglich.

Ähnlich ihrem Zuhause, dem Maschinenraum, ist Dance noch ein Invite-Only-Club. Doch Quidenus-Wahlforss unterstreicht, dass dieser Eindruck von gewollter Exklusivität kein Modell auf längere Zeit sein soll, sondern lediglich dem Wunsch, sanft und dafür nachhaltig zu wachsen, geschuldet sei. Nach und nach kommen mehr Räder hinzu – speziell entwickelt und gefertigt für Dance, mit abnehmbarem Akku und direkter Verbindung zur App, mehr Städte, Länder, Kontinente. Auf dass sich der Kreis schließe und die Gemeinschaft der Dancer ihren Teil dazu beitrage, dass das Leben gesünder, nachhaltiger und lebenswerter wird. Eine Vision, für Henrik Wahlforss 1982 ebenso gültig wie heute für seinen Sohn.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 35. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

Diesen Artikel empfehlen