Aletta von Massenbach

Menschen und Märkte verbinden

Sie hat Flughäfen in Lateinamerika und halb Europa geleitet, am BER reizt sie die „besondere Herausforderung“: Aletta von Massenbach ist dabei, den Airport zu dem zu machen, was er sein sollte – ganz ohne große Worte.

Fernweh? Aletta von Massenbach blickt aus dem Fenster, einen ­kurzen Moment lang. „Ich habe an wundervollen Orten leben und ­arbeiten dürfen. Von überall habe ich viel mitgenommen“, sagt sie, während draußen ein Flugzeug in den Himmel abhebt. Chile, Peru, die Philippinen, Bulgarien, die Türkei – und das sind noch nicht einmal alle Länder, in denen Aletta von Massenbach im Lauf ihrer Karriere Station machte. „Es bleibt ja, was ich dort erleben, wen ich dort kennenlernen durfte“, sagt sie. „Und es war ein sehr bewusster Schritt, hierherzukommen.“ Seit etwas mehr als einem Jahr ist sie CEO der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, gekommen war sie 2020 als kaufmännische Geschäftsführerin. Weit mehr als 10 000 Maschinen starten oder landen jeden Monat vom BER, wie er in der Luftverkehrssprache abgekürzt wird – wenn es einen Ort gibt, an dem man Inter­nationalität spürt oder von der Ferne träumen könnte, dann ist es dieser.

Aber zu träumen ist gerade nicht ihr Job. Nach 14 Jahren Bauzeit mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten, nach der Eröffnung mitten in der Coronapandemie ist der Airport jetzt – endlich – auf dem Weg, der Hauptstadtflughafen zu sein, als der er geplant war. Aletta von Massenbachs Vorgänger hat „die Baustelle zum Fliegen“ gebracht, nun ist es Zeit für das nächste Kapitel. Dabei hat sie den Anfang der Geschichte im Kopf, und sie wird ständig daran erinnert. „Wir tragen einen Rucksack aus der Vergangenheit, damit gehen wir um. Das bedeutet auch, dass manche denken: ‚Die kriegen nichts hin.‘ Das nervt mich manchmal ein bisschen, weil ich sehe, was wir alles hinkriegen.“ Aber genau diesen Flughafen an genau diesem Ort zu leiten, das sei eben „eine ganz besondere Herausforderung. Und das ist es, was mich gereizt hat“. Die großen Ferien etwa sind gut gelaufen, besser womöglich als an anderen Airports. Auch weil immer mehr Check-in-Automaten im ­Terminal 1 so aufgestellt worden sind, dass die Passagiere sie wirklich ­benutzen. Weil man jetzt eine Zeit buchen kann für die Sicherheitskontrolle. Knapp drei Millionen Menschen sind im Sommer vom BER aus in den Urlaub geflogen – ohne größere Probleme. Auf die Titelseiten hat es diese Nachricht zwar nicht geschafft, aber das, sagt Aletta von Massenbach, sei auch gut so. „Ein Airport sollte keine Schlagzeilen machen, sondern normal funktionieren. Er soll Menschen und Märkte verbinden, dazu ist er da.“ Klingt ganz einfach, ist es natürlich selten.

„Das zentrale Thema dabei ist, dass man die Dinge gemeinsam nach vorn bewegt. Und wenn es um die Zusammenarbeit an diesem Flug­hafen geht, haben wir schon sehr viel erreicht.“ Ein Airport ist eben nicht nur ein Hafen für Flugzeuge, sondern ein komplexes Gebilde voll gegenseitiger Abhängigkeiten und mit sehr vielen Beteiligten. Der ­Passagier wird sozusagen vom einen zum anderen weitergereicht: von der Deutschen Bahn, die ihn zum BER bringt, über die Bundespolizei, den Flughafen selbst und die Airlines mit ihren Partnern bis hin zur Flugsicherung. „Das alles sollte der Passagier aber nicht spüren“, sagt Aletta von Massenbach, „es sollte ein reibungsloser Ablauf sein.“ Der Flughafenbetreiber stellt dabei die Infrastruktur zur Verfügung, die Start- und Landebahn, die Vorfelder, auf denen die Flugzeuge parken, die Gebäude. Und zentrale Einrichtungen wie die Förderanlage für das Gepäck. Dass es zur richtigen Zeit an den richtigen Ort transportiert wird, dafür sorgen die Fluggesellschaften mit ihren Partnern. Die Sicher­heitskontrolle wiederum erledigen Dienstleister für die Bundespolizei. Aletta von Massenbach lächelt ein wenig hintergründig. „Die Gründe, aus denen bestimmte Prozesse momentan nicht gut genug funktionieren, sind sehr unterschiedlich. Aber wir als Flughafen Berlin Brandenburg GmbH tragen die Verantwortung für das Gesamte.“ Man ahnt es: Nicht alles, wofür ihre Vorgänger und jetzt sie den Kopf hin­halten mussten, hatte auch wirklich der Flughafen selbst verbockt. Das trotzdem auf sich zu nehmen, gehört eben zum Job.

Die Volljuristin, die in Passau und Bamberg studiert hat, startete als Management-Trainee bei der Fraport AG, die den Frankfurter Flug­hafen betreibt und weltweit an zahlreichen Airports beteiligt ist. Ende der Neunziger übernahm sie das Projektmanagement für die Privatisierung der Flughäfen in Berlin und Santiago de Chile. Dann ging sie nach Peru, um den Airport von Lima zu privatisieren, auszubauen und weiterzuentwickeln – die Fraport hält daran heute 80,1 Prozent. Anschließend war sie für Flughafenprojekte auf den Philippinen, in Portugal, Puerto Rico, Russland und Spanien verantwortlich. Als CEO der Fraport Twin Star Airport Management AD leitete sie die Flughäfen ­Varna und Burgas an der bulgarischen Schwarzmeerküste, dann übernahm sie die Geschäftsführung am Airport im türkischen Antalya. 2016 schließlich wurde sie Senior Executive Vice President der Fraport AG und führte den Geschäftsbereich Global Investments und Management und damit das internationale Geschäft von Fraport mit 30 Flughäfen in zehn Ländern – bis sie 2020 nach Berlin kam.

Die Zeit in anderen Teilen der Welt hat sie geprägt, in beruflicher ­Hinsicht natürlich, aber auch in privater. „Viele Dinge sind im Ausland sehr viel einfacher“, sagt Aletta von Massenbach, die ihren heute zwölf­jährigen Sohn allein erzieht. „Ganztagsschule, Kinderbetreuung überhaupt – das alles ist in anderen Ländern viel selbstverständlicher. Das hat mir gerade in den ersten Jahren sehr geholfen.“ Zurück in Deutschland war es dann gar nicht so leicht, eine Ganztagsgrundschule zu finden, eine verlässliche Betreuung. „In einer Position wie meiner gibt es ja viele Wege, sich Hilfe zu holen. Aber wie machen das denn Frauen, die diese Möglichkeiten nicht haben?“ Ihr Sohn, sagt sie, war überrascht, als sie nach Berlin wollte. „Das fand er erstaunlich von seiner Mutter, weil man hier ja Deutsch spricht – wo liegt denn da die Herausforderung?“ Er habe von der Zeit im Ausland profitiert, sei immer offen für neue Erlebnisse und Erfahrungen. Vor allem zu Bulgarien und der Türkei, wo er aufgewachsen ist, habe er eine enge Bindung, aber auch zu Peru, „weil wir immer junge Menschen von dort bei uns haben“. Das Land, in dem sie vier Jahre verbrachten, hat auch für Aletta von Massenbach selbst eine ganz besondere Bedeutung. „Ich trug dort mit 30 Verantwortung, das war alles ganz unglaublich, was ich dort erlebt habe, wie sich eine Tür nach der anderen für mich öffnete.“

Draußen, vor dem Fenster, starten und landen unentwegt die ­Maschinen. Die VIP-Lounge „Zeitgeist“, in der wir sitzen, blickt durch eine gläserne Fassade auf die südliche Rollbahn. Hier kann man, nachdem man direkt vom Parkhaus 1 durch eine eigene Sicherheitskontrolle geleitet wurde, in elegantem Ambiente auf den Abflug warten. Auf Wunsch auch in einer eigenen Suite mit Fernseher, Arbeitsbereich und Badezimmer. „Wir haben hier für unterschiedliche Bedürfnisse viel zu bieten“, sagt Aletta von Massenbach. „Ich freue mich, dass der BER trotz seiner besonderen Historie von allen angenommen wird.“ Und immer besser funktioniert.

„Wenn der Flugverkehr zurück ist auf dem Niveau von vor der Pandemie, dann können wir eine schwarze Null schreiben. Operativ werden wir schon in diesem Jahr profitabel sein. Aber noch holt uns sozusagen die Vergangenheit ein, die sehr hohe Verschuldung, die auf uns liegt, weil der gesamte Flughafen zu teuer geworden ist.“ Normalerweise, sagt Aletta von Massenbach, seien Airports profitabel. Das werde von der Europäischen Union auch so erwartet. Wegen der enormen Ausfälle durch Corona habe die EU den Gesellschaftern allerdings erlaubt, den BER mit 1,7 Milliarden Euro zu unterstützen.

Normalität, Stabilität, Gemeinsamkeit: Aletta von Massenbach spricht nicht in großen Worten. Vielleicht weil zu viele zu häufig zu große ­Worte um den BER gemacht haben, weil jetzt nicht mehr die Zeit der Super­lative ist. „Natürlich könnte ich jetzt sagen, dass wir der beste Flughafen der Welt werden. Doch dieser Flughafen war nie normal, die gesamte Geschichte des Luftverkehrs in Berlin ist sehr besonders. Aber es ist so ein besonderer Ort, deswegen sage ich: Wir wollen, dass alles richtig gut funktioniert.“ Sie mag es nicht unbedingt, wenn man sie die einzige Flughafenchefin Deutschlands nennt (was sie nun mal ist), aber wenn man Aletta von Massenbach erlebt, denkt man irgendwann: Männer stellen sich gern als Macher dar; und dann gibt es Frauen, die machen einfach. „Das alles zu erreichen ist in der größten Krise der Luftfahrt nicht trivial und auch nicht unambitioniert, selbst wenn es vielleicht ein bisschen so klingt. Das ist ein sehr hoher Anspruch, aber ich bin da einfach ich.“

Aletta von Massenbach hat ihr gesamtes bisheriges Berufsleben auf Airports verbracht, hat mehr Flugzeuge starten, mehr Menschen in die Ferne reisen sehen als die meisten von uns. Sie weiß sicher am besten, dass man nicht gleich abheben muss, wenn man einen Flughafen leitet.

Text: Michael Fuchs
Foto: Jan Philipp Welchering
Datum: Oktober 2022

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