Neue Wohnungen für Berlin

Neue Wohnungen für Berlin


Bauen, bauen, bauen, lautet für viele das Rezept gegen den Wohnungsnotstand in der Hauptstadt. Doch wie entsteht schnell und günstig neuer Wohnraum?

Bauen, bauen, bauen, lautet für viele das Rezept gegen den Wohnungsnotstand in der Hauptstadt. Doch wie entsteht schnell und günstig neuer Wohnraum?

Text: Judith Jenner, Foto: Andreas Friedel & Christoph Naumann

Bis zum Jahr 2030 wird die Einwohnerzahl Berlins auf 3,85 Millionen Menschen steigen. Allein um das künftige Bevölkerungswachstum aufzufangen, müssten während dieser Legislaturperiode jedes Jahr 14 000 Wohnungen gebaut werden, heißt es bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Für eine Entspannung des Wohnungsmarkts sind weitere 6000 Wohnungen im Jahr nötig. Das bedeutet in der Summe mindestens 20 000 Neubauwohnungen pro Jahr. „Auch aufgrund der hohen Bodenpreise werden derzeit vor allem teure Wohnungen errichtet. Bei den aktuellen Preisen für Bauland können Wohnungen mit geringen Mieten kaum finanziert werden“, sagt Dr. Claus Michelsen, Immobilienexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Der Bauboom kommt daher vor allem bei den oberen Einkommensschichten an.“

Potenzial sieht Michelsen beim seriellen Bauen: Ein standardisierter Prototyp aus vorgefertigten Teilen wird mehrfach realisiert. Auch Typenbauten mit standardisierten Grundrissen können das Bauen vereinfachen und Geld sparen. Experimente mit diesen Bauverfahren gab es bereits vor 90 Jahren. Berlin stand damals vor ganz ähnlichen Herausforderungen. Für die neu in die Stadt strömenden Menschen brauchte es dringend preisgünstige Wohnungen, praktisch ausgestattet und in einem lebenswerten Umfeld. Die Reichsforschungssiedlung

Haselhorst wurde zum größten Wohnungsbauprojekt der Weimarer Republik. Typenbauten aus seriell hergestellten Bauteilen waren damals eine Innovation und werden bis heute immer weiter perfektioniert. So setzt die Wohnungsbaugesellschaft Howoge am Standort Adlershof zum Beispiel auf eine Holzhybridbauweise mit vorgefertigten Holzelementen. Die klima- und umweltfreundliche Holzbauweise sorgt für eine hohe Energieeffizienz, denn Holz besitzt nicht nur optimale Dämmeigenschaften, sondern wärmt auch, was sich positiv auf die Energiekosten auswirkt.

Einmal planen, mehrfach bauen

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die die Wohnungen heute vermietet, denkt einige der Ideen von damals mit heutigen Mitteln weiter. Im Rahmen der Berliner Neubauoffensive erarbeitete sie gemeinsam mit den fünf anderen kommunalen Wohnungsbau- unternehmen Berlins eine Untersuchung zum Typenbau. Architekturbüros wie Kleihues + Kleihues legten Pläne für moderne Typenhäuser vor, die nichts mit den tristen Plattenbauten aus DDR-Zeiten gemein haben. So sieht Jan Kleihues’ Entwurf zum Beispiel eine Holzhybrid- bauweise und einen flexiblen Gebäudetypus vor, der an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden kann Auch die fortschreitende Digitalisierung im Baugewerbe könnte Kosten reduzieren. Mithilfe von Building Information Modeling, kurz BIM, sollen beispielsweise die Planung größerer Bauprojekte optimiert und der Bau vereinfacht und beschleunigt werden. Ändert der Architekt im Bauprozess den Grundriss einer Wohnung, wird automatisch etwa die Anzahl der Türen in der Kostenkalkulation angeglichen. Dem Bauindustrieverband Ost geht das nicht weit genug. Hauptgeschäftsführer Dr. Robert Momberg fordert, dass sich die staatlichen Stellen stärker als bisher als Dienstleister für Bürger und Unternehmen verstehen. „Dafür ist eine Digitalisierungsoffensive zu starten, die eine vollständige, medienbruchfreie und vor allem schnelle Kommunikation zwischen Verwaltung und Kunden erlaubt“, sagt er. „Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsebenen müssen vor allem ressortübergreifend ermöglicht werden. Digitalisierung greift zu kurz – es muss eine ganzheitliche Vernetzung kommen.“

Weniger Bürokratie

Ein Kostentreiber sind beim Bauen die technischen Anforderungen, beispielsweise zur Energieeffizienz. „Die Regulierungsdichte in Deutschland macht es zunehmend unmöglich, preiswert zu bauen“, so Robert Momberg. „Der Neubaupreis variiert natürlich je nach Lage und Ausstattung. Aber sicher lässt sich sagen, dass man allein aufgrund der Vorgaben, die sich zum Beispiel aus der Energieeinsparverordnung oder der deutschen Bauordnung ergeben, nicht mehr unter einem Mietzins von sieben Euro pro Quadratmeter bauen kann.“ Bei der Lockerung von Vorgaben sieht er Hebel, mit denen die öffentliche Hand das Bauen preiswerter und unkomplizierter machen könnte. Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, bemängelt, dass sich vor allem kleinere Projekte oft einer massiven Bürokratie gegenübersehen. Ihrer Erfahrung nach genießen große Projekte mit mehr als 50 Wohneinheiten Priorität in den überlasteten Bauämtern. „Es sind aber gerade die kleineren, oft komplizierten Projekte, mit denen viel Qualität und in der Gesamtheit viele Wohnungen entstehen könnten. Unsere Mitglieder sind bereit, diese mühsamen Planungsprozesse auf sich zu nehmen, und wünschen sich mehr Entgegenkommen seitens der Ämter“, sagt sie.

Günstig bauen in der Gruppe

Das von Praeger Richter Architekten geplante Ausbauhaus in Neukölln mit 24 Wohnungen ist so ein kleines Projekt, das als Beispiel für kostengünstiges und soziales Bauen in der Innenstadt gelobt wurde.

Für eine von ihnen ins Leben gerufene Bauherrengruppe hielten die Architekten mithilfe von Fertigteilen und Spannbeton, der sonst im Industriebau zum Einsatz kommt, die Kosten gering und sparten Zeit beim Bau. Man verzichtete auf einen Keller und baute mit 1700 beziehungsweise 1950 Euro pro Quadratmeter zum Schnäppchenpreis.

Für den Innenausbau sah der Entwurf drei verschiedene Ausstattungsvarianten vor, vom Komplettpaket bis hin zum Ausbau in Eigenregie: Handwerklich versierte Bewohner konnten von der Heizung bis zum Bad alles selbst einbauen. Wer hingegen direkt einziehen wollte, bekam Estrichboden und Badbox oder Massivholzparkett und Badezimmer mitgeliefert. Für das Projekt erhielten Henri Praeger und Jana Richter zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den „Sonderpreis Neues Urbanes Wohnen“ beim Architekturpreis Berlin 2016.

Darf es etwas dichter sein?

In Zeiten hoher Bodenpreise ist jede Fläche wertvoll. Ein wichtiges Instrument für den Wohnungsbau sind daher die Nachverdichtung und die Dachbebauung bereits bebauter Flächen – ein Weg, den auch die Gewobag geht. Die Wohnungsbaugesellschaft möchte zum Beispiel in Pankow mehrere Innenhöfe nachverdichten und hat den Bewohnern dazu unterschiedliche Bebauungsvarianten zur Abstimmung vorgelegt. Für Claus Michelsen liegen die Vorteile auf der Hand: Der Boden muss nicht teuer erworben werden, die nötigen Versorgungsleitungen sind bereits vorhanden, und Investoren haben die Chance, günstiger als der Durchschnitt an den Markt zu gehen.

Wie eine gelungene Nachverdichtung aussehen kann, zeigt das Hofhaus Berlin-Mitte von Wolff Architekten. An der Stelle von Schuppen und Garagen steht heute ein modernes Wohn- und Bürohaus. Es ersetzt den wegen Kriegsschäden abgerissenen Seitenflügel. Allerdings verlangt diese Art des Bauens den Anwohnern viel Toleranz ab, sie müssen über Monate mit Staub- und Baulärmbelästigung leben. Das ist ein Grund, weshalb nicht alle geplanten Projekte tatsächlich realisiert wer- den. Ein weiterer ist laut Claus Michelsen fehlendes Geld. „Der Staat könnte diese Bauaktivitäten unterstützen, indem er günstige Kredite gewährt, um die Eigenkapitaldecke von Investoren zu stärken. Häufig fehlt es an dieser Stelle“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

Modelle wie diese, gepaart mit cleveren architektonischen Lösungen, könnten Berlins Wohnungsnot vielleicht nicht vollkommen aufheben, sie jedoch zumindest lindern.

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in unserem Magazin diskurs Nr. 29. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Martin Klatt, Immobilien-Experte der Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 450, E-Mail: martin.klatt@weberbank.de

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