Stiftung St. Matthäus: Dialograum Kirche

Stiftung St. Matthäus: Dialograum Kirche


Die Stiftung St. Matthäus lebt ihren Auftrag, den Dialog der Kirche mit den Künsten zu führen und zu fördern. Ausstellungen, Lesungen und
Konzerte machen dieses Engagement auch im Kirchenraum selbst erlebbar.

Die Stiftung St. Matthäus lebt ihren Auftrag, den Dialog der Kirche mit den Künsten zu führen und zu fördern. Ausstellungen, Lesungen und
Konzerte machen dieses Engagement auch im Kirchenraum selbst erlebbar.

Text: Anke Bracht
, Foto: Jens Bösenberg | Whitelight Studio GmbH

Der mannstiefe Schacht weist gen Osten. Sieben weiße Stufen führen hinab – oder hinauf, das liegt im Blick des Betrachters. Jeder einzelne der schmalen Tritte ist mit feinem, rotem Sand aus Tel Aviv bedeckt; die begehbare gläserne Bodenplatte reflektiert das Licht. „Stufen“ – so lautet der Titel der Bodenskulptur des israelischen Künstlers Micha Ullman, die im linken Seitenschiff der Kirche St. Matthäus dauerhaft verankert ist. Das Werk setzt sich mit der vorsichtigen, im wörtlichen Sinne stufenweisen Annäherung von Christen und Juden auseinander, mit den jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens. Immer wieder verweilen Besucher mit gebeugtem Kopf über dieser Leere im Raum, geben dem Sog nach und betreten das trennende Glas.

Dialog mit den Künsten

Es seien Momente wie diese, sagt Pfarrer Hannes Langbein, die mehr über das Erleben von Kunst erzählten als alles, was darüber geschrieben werde. Er muss es wissen, Langbein ist selbst Autor, schreibt als Redakteur für die ökumenische Zeitschrift kunst und kirche. Seit Januar 2018 ist der evangelische Theologe Direktor der Stiftung St. Matthäus und gemeinsam mit Geschäftsführerin Anne-Catherine Jüdes für die programmatische Ausrichtung der Stiftung mit ihren Projekten und Kooperationen verantwortlich. Ein Dialog mit den Künsten sei aus seiner theologischen Arbeit nicht wegzudenken, sagt Langbein. Kunst und Kirche teilten sich ein „Bewusstsein für die Fragilität und die Komplexität des Lebens und die Schönheit, die sich in ihr verbirgt“. St. Matthäus verstehe er in diesem Sinne als ein Labor, „theologisches und künstlerisches Forschen im Dialog miteinander zu entwickeln und daraus neue Perspektiven für Kirche und Gesellschaft zu schaffen“.

Neues Nutzungskonzept für die Kirche

Dass diese Arbeit seit bald 20 Jahren möglich ist, ist der Gründung als Stiftung St. Matthäus zu verdanken. Initialzündung für ihre Errichtung war die Suche nach einem neuen Nutzungskonzept für den Backsteinbau, der zwischen 1844 und 1846 in der damaligen Friedrichsvorstadt nach den Plänen des Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler im Stil der oberitalienischen Romanik errichtet worden war. Der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg folgten der Wiederaufbau von 1956 bis 1960 – und die Zeit als Kirche einer Wohngemeinde. Als diese immer weiter zusammenschmolz, entschied sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 1999/2000 zur Gründung einer Kunst- und Kulturstiftung, eng verbunden mit dem sakralen Gebäude selbst und verantwortlich für „kirchliche Arbeit, in die Weite Brandenburgs hinein“, wie Direktor Hannes Langbein betont. Und dafür braucht es Geld – Kirchensteuern erhält die Stiftung nicht, vielmehr muss sie ihre Ausgaben von den Erträgen des Stiftungskapitals und Spenden bestreiten.

Künstlerische Beratung für Kirchen

Zu ihren Aufgaben gehört die künstlerische Beratung von Mitgliedern der Landeskirche zum Beispiel bei der Anschaffung von Altären und Fensterbildern. Am Standort Berlin etablierte sie eine Reihe innovativer Dialogformate, darunter den Gottesdienst „Mein Psalm“, der von Lyrikern begleitet wird, oder die seit mehr als drei Jahren monatlich stattfindende Veranstaltung „In der Farbe gehen“ auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Der US-amerikanische Lichtkünstler James Turrell hatte die dortige Friedhofskapelle im Juli 2015 in eine begehbare Lichtinstallation verwandelt – nur zwei Monate später fan- den die ersten „Turrell-Lectures“ statt, Reflexionen von Theologen, Kunsthistorikern und Philosophen zum und im Lichtraum Turrells. Hauptwirkungsort allerdings ist und bleibt die Kirche St. Matthäus, deren moderne, helle Innenarchitektur mehr an eine Galerie erinnert als an ein Gotteshaus. Raum, Licht und Stille verstärken die Wirkung der ohnehin kraftvollen Exponate, die in der ständigen Ausstellung zu sehen sind, darunter Schenkungen oder eigene Ankäufe durch Stiftungsmittel wie die Auftragsarbeit „Stufen“. Dazu gesellen sich die Werke, die in den vier Wechselausstellungen während des Jahres gezeigt werden. In der Kunstschau bleibt die Kirche das, was sie schon immer war: ein Ort, an dem Gottesdienste gefeiert, Trauungen und Taufen zelebriert werden. Viele Besucher kämen, um sich die täglichen Mittagsandachten anzuhören, erzählt Anne-Catherine Jüdes. St. Matthäus habe einen stetig wachsenden „Freundeskreis“, sagt sie, jeder sei hier willkommen: „Die Stadt ist unsere Gemeinde.“

Als Symbol der Strahlkraft und des Strebens nach Dialog hätten sich die Stiftungsgründer für St. Matthäus wohl keinen besseren Ort wünschen können – die Kirche liegt inmitten des Kulturforums im Herzen Berlins. Hier, zwischen Neuer Nationalgalerie, Berliner Philharmonie, neuer Staatsbibliothek, Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett, herrscht der ständige Austausch mit den Künsten. Dank der Stiftung St. Matthäus auch mit der Kirche.

In diesem Jahr feiert die Stiftung St. Matthäus ihr 20-jähriges Bestehen. Informationen zu einer Mitgliedschaft oder Unterstützung gibt es unter www.stiftung-stmatthaeus.de.

Lesen Sie auch unseren Beitrag „Wie gründe ich eine Stiftung?“.

Robert Boddeutsch, Berater Institutionelle Kunden, Weberbank Actiengesellschaft, steht Ihnen für Ihre Fragen telefonisch und per E-Mail zur Verfügung: Tel.: (030) 897 98 – 316, E-Mail: robert.boddeutsch@weberbank.de

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