Talent verpflichtet

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Mit Willensstärke und Innovationsgeist hat Philipp Pausder die Heizungsbaubranche hierzulande digitalisiert – und disrumpiert. Das von ihm mitgegründete Unternehmen thermondo soll die Energiewende beschleunigen, so die Vision des CEO.

Mit Willensstärke und Innovationsgeist hat Philipp Pausder die Heizungsbaubranche hierzulande digitalisiert – und disrumpiert. Das von ihm mitgegründete Unternehmen thermondo soll die Energiewende beschleunigen, so die Vision des CEO.

Text: Antonia Munding, Foto: Julia Zoooi

In seiner ersten Basketballsaison habe er alle Spiele verloren und „keinen einzigen Punkt in der Tabelle gelandet!“. Philipp Pausder spuckt die harten Konsonanten in den Raum, lacht kurz auf und lehnt sich im maritimen Streifenshirt in einen gelben Bürostuhl zurück. Mit seinem Unternehmen thermondo gilt er als revolutionärer „Einheizer“, als Deutschlands erfolgreichster Heizungsbauer. Doch erst einmal spricht der athletische Zweimetermann in seinem Büro nahe der ehemaligen Berliner Mauer von der Katharsis des Scheiterns. Fast 15 Jahre lang hat der Mitgründer von thermondo in verschiedenen nationalen und internationalen Teams Basketball gespielt, auch in der zweiten deutschen Bundesliga. Das Innehalten nach einem verlorenen Spiel sei wichtig, um die Tragweite der eigenen Fehler zu begreifen – 24-Stunden-Krise nennt Pausder das. Danach wieder auf den Platz, mit vollem Einsatz, aber neuer Strategie: „Wenn man ganz knapp verliert, aber zwei Minuten später schon wieder lacht, kann ich das absolut nicht begreifen.“

Als Philipp Pausder sein Unternehmen vor neun Jahren gemeinsam mit Florian Tetzlaff und Kristofer Fichtner gründet, hat Fukushima die Welt gerade in den Abgrund eines atomaren Super-GAUs blicken lassen. Und während viele erneut den Kohleabbau verteidigen, lässt sich Pausder das Pariser Klimaziel auf die Visitenkarte drucken. Inzwischen hat er mit thermondo den Heizungsmarkt digitalisiert und disrumpiert. Dafür kürte ihn die Beratungsgesellschaft EY zum Entrepreneur des Jahres 2017.

Er sei in einem Braunschweiger „Sozi-Haushalt“ aufgewachsen, erzählt der ambitionierte Macher. Die Mutter arbeitete als Pädagogin, sein Vater war als Forscher in der Hubschrauberentwicklung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt tätig. „Meine Eltern haben mir früh beigebracht, dass ein Talent eine besondere Verpflichtung mit sich bringt – es so einzusetzen, dass es auch anderen nützt!“ Das Thema Nachhaltigkeit begleite ihn also schon von Kindesbeinen an, fügt der CEO von thermondo lächelnd hinzu. Zunächst allerdings steckte der junge Philipp Pausder seine ganze Energie in den Sport.

Mit 15 beginnt er, Basketball zu spielen, und wird vom rumänischen Trainer Liviu Călin gefördert, der auch die späteren NBA-Profis Dennis Schröder und Daniel Theis auf dem Platz entdeckt. „Eine harte Schule“, sagt Pausder, „Zuckerbrot und Peitsche, aber auch Teamgeist und Leidenschaft.“ Er lernt schnell, dass man auf dem Weg nach oben um Disziplin und harte Ansagen nicht herumkommt, erfährt, dass die Zielstrebigkeit im Sport sein persönliches Entwicklungspotenzial fördert. Wobei ein solcher Führungsansatz nicht eins zu eins übersetzbar sei, wahrscheinlich auch nicht mehr zeitgemäß, sagt Pausder. Mit seinen Mitarbeitern, die er liebevoll Thermondinos nennt, spreche er auf Augenhöhe, im Büro duze man sich. Aber Einsatz und Leistung, „Exzellenz“, wie er gern sagt, erwarte er – „ganz selbstverständlich“. Pausders Smartphone klingelt, er schaltet es auf stumm. Seit der großen „Fridays for Future“-Demo im September 2019 sei die Nachfrage rasant gestiegen – besonders nach Wärmepumpen und Leasing-Angeboten.

Vor wenigen Tagen hat thermondo einen neuen Markenauftritt verabschiedet. „Es war höchste Zeit“, sagt Pausder, denn man sei inzwischen um einiges breiter aufgestellt. Der thermondo-Slogan „Deutschlands Heizungsbauer Nummer 1“ wurde von „Gemeinsam machen wir Wohnen klimaneutral“ abgelöst. Aber Worte allein, das weiß der CEO, reichen nicht.

„Wir sind ein hoch pluralistisches, langsam entscheidendes Land“, sagt Pausder. Um die Energiewende schnell genug zu meistern, reiche die Zeit, die es brauche, neue Kraftwerke zu bauen, nicht aus. „Die Revolution wird also auf der Ebene des Einfamilienhauses stattfinden“, so Pausders Vision. „Genau hier müssen wir auf CO2-arme Heizungen umrüsten beziehungsweise neue, klimaneutrale Systeme verbauen.“ Den letzten Meter zu diesen heute 16 Millionen Einfamilienhäusern bestimmten die rund 50000 Heizungsinstallationsbetriebe, erklärt er. Und beschreibt den deutschen Heizungsmarkt als „ultrakomplexe Marktstruktur“ mit Herstellern, Großhändlern und Handwerkern, in der die einzelnen Beteiligten nur wenig Lust auf Veränderung verspürten. Um dort der „Champion der Zukunft“ zu sein, entwickelten Pausder und sein Team einen Algorithmus. Zunächst, um die Bestellung von Heizungen transparenter zu gestalten. Inzwischen gelte „Manfred“ – wie Pausder den Algorithmus (als Verbeugung vor dem typischen Handwerkernamen) getauft hat – als DNA des Unternehmens.

Was als „Immobilienscout der Heizungsbranche“ beginnt, avanciert Schritt für Schritt zum erfolgreichsten Installationsbetrieb des Landes. Dabei sei nicht immer alles glatt gelaufen, sagt Pausder. Es habe in den ersten Jahren zwar extrem viel Wachstum und Innovation gegeben, aber zu wenig Kontrolle. Seit 2016 bildet thermondo eigene Handwerker aus, 2019 bringt das Unternehmen die erste eigene Heizung auf den Markt, die t1. Seitdem laufen die Prozesse robust, sagt Philipp Pausder, der das Unternehmen seit 2017 allein führt. Das heutige Geschäftsmodell – thermondo ist an allen Prozessen der Wertschöpfungskette beteiligt und arbeitet nur mit firmeneigenen Installateuren – überzeugt die Klientel. Deutschlands größter Heizungsbauer zu werden sei allerdings nie das Ziel gewesen, betont er: „Sondern lediglich eine Etappe, um den Wärmemarkt so schnell wie möglich klimaneutral zu gestalten.“ Aktuell gehe es ihm vor allem um innovative Stromprodukte, „da jetzt alle weg vom schmutzigen Öl und Gas wollen, hin zum grünen Strom“. Das „neue Herz“ seines Unternehmens sei deshalb die Wärmepumpe: „Die soll irgendwann auch dynamisch Strompreise lesen können und den Strom nur dann ziehen, wenn er billig ist.“

Seine persönliche Wohlfühltemperatur liege bei 35 Grad, verrät Pausder. Er sei an einem heißen Septembertag geboren. „Eigentlich bin ich der permanente Grenzgänger“, sagt er und grinst. Einer, der sich im nasskalten Berliner Januar nach dem texanischen Klima der Studienzeit zurücksehne, und zugleich „der leistungsorientierte Sozi“, der den „hippen Berlin-Mitte-Millennial“ in seiner Start-up-Blase ebenso verstehe wie den Handwerker: „Wärme ist ein existenzielles Grundbedürfnis – und damit ganz klar ein Politikum“, sagt der Unternehmer, „gerade jetzt, wo sich die Energiepreise mehr als verdoppeln und europäische Nachbarn Gas- und Atomenergie wieder als akzeptable Brückenlösung verharmlosen.“ Der thermondo-CEO möchte, dass mehr Menschen an klimaneutralen Angeboten teilhaben, und versucht, die Situation mit Leasing-Offerten und verlängerten Laufzeiten zu entzerren.

Einen Meilenstein sieht er im Verkauf von 51 Prozent seines Unternehmens an den kanadischen Investor Brookfield Anfang 2021. Brookfield, bekannt durch sein Projekt einer Neugestaltung des Potsdamer Platzes, steht für Nachhaltigkeit, Investitionen in Infrastruktur und intelligente Energielösungen in mehr als 30 Ländern. Nun investiert er in thermondos Pionierleistung im deutschen Wärmemarkt. Pausder wird weiter der kreative Kopf und CEO des Unternehmens bleiben, versichert er. Das frische Kapital soll langfristig das Wachstum sicherstellen und in Maßnahmen fließen, welche die Arbeitgebermarke thermondo attraktiver machen.

Pausder, der in Texas, Berlin und Madrid studierte, wünscht sich eine größere Lobby für das Unternehmertum und kritisiert mangelndes ökonomisches Wissen an Schulen und Unis. Mit der Initiative Startup Teens, die er 2015 gemeinsam mit seiner Frau Verena ins Leben gerufen hat, möchte er Jugendliche fürs Gründen begeistern. „Wo sonst außer in der Kunst und im Sport kann man so uneingeschränkt kreativ sein?“, fragt Pausder. „Um Deutschlands Zukunft zu sichern, muss man aus der Mitte heraus möglichst viele Menschen motivieren, kreativ ins Risiko zu gehen.“

Philipp Pausders Tribut ist ein Puls, der höher schlägt, als ihn die Zeit vorgibt. Verantwortung niemals komplett abgeben zu können koste Kraft. Erden würden ihn die Gespräche mit seiner Frau, die seine unternehmerische Leidenschaft teile und zugleich sein bester Coach sei. Zehn oder 15 Jahre möchte er auf diesem Level noch arbeiten, sich dann aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Einen ersten Schritt habe er mit dem Verkauf an Brookfield bereits gemacht. Es gebe genügend intelligente und vertrauenswürdige Menschen um ihn herum, denen er entscheidende Aufgaben bei thermondo zutraue. Das druckfrische Markenbuch, das die Agenda des Unternehmens in vielen großformatigen Mitarbeiterporträts illustriert, spricht für sich. Mit der „Welt der Wärme“ hat sich Philipp Pausder ein Spielfeld ausgesucht, dessen Erfolg sich aus der Leidenschaft jedes Einzelnen speist.

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