Wo der Seele Flügel wachsen

Wo der Seele Flügel wachsen


Das KinderTraumHaus Schloss Bantikow in Brandenburg ist ein Ort der Lebensfreude und der Therapie. Hier finden traumatisierte Kinder ein liebevolles Zuhause und beginnen ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben.

Das KinderTraumHaus Schloss Bantikow in Brandenburg ist ein Ort der Lebensfreude und der Therapie. Hier finden traumatisierte Kinder ein liebevolles Zuhause und beginnen ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben.

Text: Anke Bracht, Foto: Samuel Winterstein

Fernab der städtischen Hektik, inmitten schönster Natur, liegt Schloss Bantikow. Es ist das Zuhause von 20 Mädchen und Jungen, die schlimmste Gewalterfahrungen gemacht haben oder an Verwahrlosung litten und aufgrund ihrer seelischen Störungen und Nöte nicht in konventionellen Kinderheimen betreut werden können. Hier im „KinderTraumHaus“ erfahren die Vier- bis Vierzehnjährigen Geborgenheit, Wertschätzung, eine neue Alltagsstruktur und eine spezielle therapeutische Begleitung. Ein schwieriger Weg sei das für die Kinder, sagt Guntram Winterstein, aber ein hoffnungsvoller. Der Sozialtheologe und Diplom-Sozialarbeiter ist Gründer und Geschäftsführer des Sozialwerks

Winterstein, des Trägers der Einrichtung. Gemeinsam mit seiner Frau Jana, die als integrative Lerntherapeutin tätig ist und die pädagogische Gesamtleitung auf Schloss Bantikow verantwortet, leiten sie mit dem 2019 eröffneten KinderTraumHaus ein in Deutschland einzigartiges Projekt. Im Mittelpunkt der Hilfe steht die Traumapädagogik. „Unsere pädagogische und therapeutische Arbeit ist von der des israelischen Therapeuten und Erziehers Yecheskiel Cohen geprägt“, sagt der Leiter des KinderTraumHauses, „seine Forderung lautet, dass wir uns dem traumatisierten Kind anzupassen haben, nicht umgekehrt.“ Um dies tagtäglich umzusetzen, braucht es viele einfühlsame Menschen: 40 Mitarbeitende – die meisten von ihnen sind Erzieher, Pädagoginnen und Betreuer – begleiten die Kinder und Jugendlichen auf Schloss Bantikow. Ohne die intensive Betreuung wären die jungen Bewohner völlig chancenlos. „Diese Kinder haben kein Urvertrauen, durch ihre schlimmen Erfahrungen konnten sie keines entwickeln“, sagt Guntram Winterstein, und nicht immer gelinge es, die seelischen Wunden zu heilen. Doch jeder noch so kleine Therapieerfolg sei wichtig, um den Jungen und Mädchen den Weg in ein möglichst normales Leben zu ebnen.

Dass das KinderTraumHaus diese wichtige Arbeit leisten kann, ist seinen Unterstützern und Unterstützerinnen aus der Bürgergesellschaft zu verdanken – allen voran der gemeinnützigen Bödecker-Familienstiftung für Kinder. Die von Elvira Tasbach und Dr. Andreas Bödecker 2006 errichtete Stiftung erwarb Schloss Bantikow in der Oberprignitz und baute das ehemalige Wellnesshotel zur therapeutischen Einrichtung um. „Hier haben die Kinder Raum“, sagt die Stifterin, und damit ist nicht nur das Schloss mit seinen hohen Decken und großen Fenstern gemeint, sondern auch das mehr als 11 500 Quadratmeter umfassende Grundstück mit direktem Zugang zum Untersee und vielen Sport- und Spielmöglichkeiten. Sich für traumatisierte Kinder zu engagieren ist für Elvira Tasbach eine Herzensangelegenheit. „Leid wird in unserem Land verwaltet“, sagt die Antiquarin, „wir wollen dazu eine Gegenwelt schaffen. Es ist uns ein Antrieb, diesen Kindern und Jugendlichen das beste Umfeld für ihre Entwicklung zu bieten.“ Die Stiftung finanziert zwei Vollzeitstellen im KinderTraumHaus sowie Ferienprogramme und Sportaktivitäten und war Geldgeberin für das im April 2022 eröffnete Eltern-Kind-Begegnungshaus. Es bietet den Familien einen gemeinsamen Raum und wahrt auf der anderen Seite das Bedürfnis der Kinder nach einem geschützten Wohnbereich, zu dem niemand von außen Zugang hat.

„Eltern haben von Gesetzes wegen Umgangsrecht“, erklärt Guntram Winterstein, „selbst wenn sie Straftaten begangen haben.“ Für ein Kind, das daheim Schlimmes erlebt hat, sei das Zusammentreffen mit den Eltern immer wieder aufs Neue verstörend, denn „Kinder projizieren alles auf sich. Sie denken, sie seien schuld, wenn ihnen etwas angetan wird“. Umso wichtiger sei die räumliche Abgrenzung bei den Besuchen. „Diese Kinder sind 24 Stunden täglich im Überlebensmodus“, sagt Winterstein, das begründe auch Verhaltensauffälligkeiten und mangelnde soziale Kompetenz. Klassisch ausgebildete Erzieher würden an der Herausforderung Traumatisierung ebenso scheitern wie Pädagogen in Regelschulen. „Von den pädagogischen Kräften, die mit uns gestartet sind, war nach dem ersten Jahr keine mehr da. In unserem Bereich brauchen wir Kräfte mit einer Ausbildung in Traumapädagogik.“ Doch Fachkräfte sind knapp – und kosten Geld. Als Vorstandsvorsitzender des Landesverbands privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe in Brandenburg e. V. macht Winterstein auf diese Situation aufmerksam, sucht den Dialog mit Ministerien und Medien. Und handelt selbst: Um neue Kollegen und Kolleginnen für das KinderTraumHaus zu gewinnen und zum Umzug nach Bantikow zu bewegen, geht Guntram Winterstein einen ungewöhnlichen Weg. Das Sozialwerk Winterstein hat sieben Wohnungen in der nahen Umgebung gemietet, zudem ist der Kauf von zwei Häusern geplant. Auch das Thema Schule packt der Sozialtheologe an. Es laufen Gespräche, um Nachbargrundstücke zu erwerben. Dort soll eine freie anerkannte Grundschule entstehen, ein weiterer wichtiger Anker im Leben der Kinder von Schloss Bantikow. Wie er das alles schafft? Sein tiefer Glaube trage ihn, sagt der Leiter des KinderTraumHauses.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in unserem Magazin diskurs Nr. 37. Bestellen Sie ein kostenloses Exemplar bei Roland Lis, Berater Privatkunden, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 403, E-Mail: roland.lis@weberbank.de 

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