Finanzmarkt aktuell

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Der Kommentar von Marthel Edouard, Portfoliomanager Weberbank, zu den Entwicklungen an den Finanzmärkten vom 9. Juni 2023.

Autor: Marthel Edouard, Portfoliomanager Weberbank
Beitragsfoto: © TierneyMJ / Shutterstock

Die Einigung im US-Schuldenstreit sorgt für Erleichterung unter den Anlegerinnen und Anlegern, die Geldpolitik ist aber weiterhin restriktiv. Was das für die Aussichten an den Kapitalmärkten bedeutet, lesen Sie in der neuen Ausgabe von „Finanzmarkt aktuell“.

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Einigung im US-Schuldenstreit – Anlegerinnen und Anleger können aufatmen, aber nur ein bisschen

Die Politik in Washington hat es wieder einmal spannend gemacht. In buchstäblich letzter Minute erzielten Republikaner und Demokraten am letzten Wochenende eine Einigung über die Anhebung der US-Schuldenobergrenze. Vorausgegangen waren wochenlange, zähe Verhandlungen zwischen beiden politischen Lagern. Ohne eine Einigung wäre der US-Regierung in wenigen Tagen das Geld ausgegangen, um wichtige Staatsausgaben zu tätigen. Ein potentiell verheerendes Szenario für die US-Volkswirtschaft und die Kapitalmärkte, das mit dem erzielten Kompromiss nun ausbleibt. Die Anlegerinnen und Anleger können also aufatmen – wenn auch nur vorübergehend, denn mit dem Ende des US-Schuldenstreits dürften zwei altbekannte Themen wieder in den Fokus der Marktteilnehmer rücken: Die Geldpolitik und der Konjunkturabschwung. Letzterer ist mittlerweile in vollem Gange und prägte die Wirtschaftsdaten der vergangenen Tage. Die Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher ist hierzulande und in den USA verhalten bis schlecht, was sich anhand erneut rückläufiger Konsumausgaben in Europa zeigt. Bei der Stimmung der Unternehmerinnen und Unternehmer sieht es kaum besser aus. Die jüngsten Umfrageergebnisse unter europäischen Einkaufsmanagerinnen und Einkaufsmanagern spiegeln eine pessimistische Einschätzung der Konjunkturaussichten wider, was viel damit zu tun haben dürfte, dass vor allem der deutschen Industrie die Neuaufträge langsam aber sicher wegbrechen. Angesichts dieser Entwicklung ist eine Fortsetzung der Konjunkturschwäche in den kommenden Monaten sehr wahrscheinlich, ein Szenario, das wir als milde Rezession bezeichnen.

Die Geldpolitik gibt weiter die Richtung am Rentenmarkt vor

Die jüngsten Inflationszahlen für den Euroraum machen deutlich, dass der Preisdruck in der Volkswirtschaft weiter nachlässt. Die Teuerungsrate betrug im Mai 6,1 Prozent – in den Vormonaten lagen die Werte noch bei deutlich über 7 Prozent. Die Gründe dieser Entwicklung liegen auf der Hand. Die starken Leitzinsanhebungen der Europäischen Zentralbank EZB entfalten langsam aber sicher ihre gewünschte Wirkung. Das Wirtschaftswachstum wird gedrosselt, die Preisentwicklung wird gedämpft. Und dennoch, die Zentralbankerinnen und Zentralbanker sehen sich noch nicht am Ziel ihrer restriktiven Geldpolitik angelangt, wie die EZB-Präsidentin Christine Lagarde vor einigen Tagen erneut bekräftigte. Der Arbeitsmarkt sei weiterhin zu robust. Der potentielle Lohndruck könnte demnach anhalten und in der Folge einen weiteren Inflationsrückgang verhindern. Damit scheint klar zu sein, dass die Leitzinsen im Euroraum weiter steigen werden, was das Wirtschaftswachstum zusätzlich bremsen dürfte. Ähnliches lässt sich für die USA formulieren, wo sich die US-Notenbank ebenfalls einem äußerst stabilen Arbeitsmarkt gegenübersieht. Der Leitzinspfad ist in den USA aber schon fortgeschrittener als im Euroraum, sodass wir nicht von weiteren Zinsanhebungen der US-Notenbank ausgehen, sondern vielmehr von einer Zinspause.

Für die Rentenmärkte gesprochen bedeutet dies unseres Erachtens, dass die Renditen für kurze Laufzeiten noch etwas steigen könnten. Der Großteil des Zinsanstiegs dürfte in diesem Segment aber hinter uns liegen. Das bislang erreichte Zinsniveau im kurzlaufenden Bereich halten wir für so attraktiv, dass sich selektive Käufe unseres Erachtens jetzt schon anbieten. In Bezug auf langlaufende Anleihen guter bis sehr guter Bonität erwarten wir, dass der anhaltende Konjunkturabschwung für die Wiederkehr eines typischen Verhaltensmusters von Anlegerinnen und Anlegern sorgen dürfte: In wirtschaftlich schwachen Zeiten kaufen Investorinnen und Investoren bonitätsstarke Anleihen mit längeren Laufzeiten. Das spricht für steigende Anleihekurse in diesem Rentensegment.

Schwache Wirtschaftsdaten und starke Aktienkurse – wie passt das zusammen?

Bei einem Blick auf die Kurstafeln wichtiger Aktienbarometer zeigt sich aktuell eine vermeintliche Diskrepanz: Die Aktienkurse verharren auf hohen Niveaus und steigen mitunter noch weiter, obwohl sich die Konjunktur auf Talfahrt befindet. Eine Erklärung für diese Beobachtung dürfte in der Gewinnentwicklung der Unternehmen liegen. Diese ist insbesondere bei Schwergewichten am Aktienmarkt aus den Branchen Technologie, zyklischer Konsum, Industrie und Finanzwerte im ersten Quartal des Jahres 2023 überraschend positiv gewesen, was die Kurse dieser Aktien und somit auch die Börsenbarometer hat ansteigen lassen. Demnach zeigt sich die Konjunkturschwäche im Zahlenwerk der Unternehmen bislang noch nicht in dem befürchteten Ausmaß. Im Hinblick auf die kommenden Monate ist unserer Meinung nach aber Vorsicht geboten. Die Gewinnaussichten dürften sich aufgrund des Konjunkturabschwungs für einige Unternehmen eintrüben. Hiervon könnten vor allem Aktien aus den Branchen zyklischer Konsum und Industrie betroffen sein. Positiv gestimmt sind wir hingegen für Titel aus den Bereichen nicht-zyklischer Konsum, Gesundheit, Finanzwerte und Technologie, für die wir stabile Umsätze und Gewinne erwarten. Insbesondere Technologieaktien dürften mittelfristig von einer steigenden Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen rund um das Thema künstliche Intelligenz profitieren. Allein die Aktienkurse einiger dieser Unternehmen scheinen das auf den aktuellen Kursniveaus bereits vorweggenommen zu haben. Hier empfiehlt es sich daher, eine Kurskorrektur abzuwarten, um dann auf ermäßigten Preisniveaus einen Einstieg zu wagen.


Marthel Edouard, Portfoliomanager Weberbank Actiengesellschaft

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