Antriebstechnologie auf dem Prüfstand

Antriebstechnologie auf dem Prüfstand


Es ist die 100-Milliarden-Euro-Frage: Welche Antriebsart macht einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Automobilverkehr möglich? Eine überraschende Antwort kommt aus Berlin.

Es ist die 100-Milliarden-Euro-Frage: Welche Antriebsart macht einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Automobilverkehr möglich? Eine überraschende Antwort kommt aus Berlin.

Text: Constantin Wissmann , Foto: Foto: Paul Craft / Shutterstock

Die Müllfahrzeuge der Stadtreinigung (BSR) erkennt jeder Berliner sofort am knalligen Orange. Was er vermutlich nicht ahnt: Zumindest ein großer Teil der Müllsammler kommt dem, wie sich viele Grüne in ihren kühnsten Träumen den Verkehr von morgen ausmalen, schon ziemlich nah. Mehr als die Hälfte der 330 BSR-Müllwagen sind mit einem Gasmotor ausgestattet. Und dessen Kraftstoff stammt aus dem Müll, den sie vorher eingesammelt haben. Im Detail funktioniert das so: Die Müllfahrzeuge transportieren den Biomüll aus den Biogut Tonnen in sogenannte Vergärungsanlagen in Berlin-Ruhleben und -Hennickendorf. In den dortigen Fermentern vergären Mikroorganismen den Bioabfall zu Rohbiogas. Das wird derartig aufbereitet, bis es chemisch nahezu identisch mit Erdgas ist. Im Anschluss wird dieses Bioerdgas in das Gasnetz eingespeist. Und so können sich die gasbetriebenen Fahrzeuge an Gastankstellen mit dem virtuell durchgeleiteten Bioerdgas aufladen.

Damit ist ein geschlossener Kreislauf in der Energiegewinnung erreicht – so etwas wie der Heilige Gral bei Umweltschützern. Das aus Biomasse gewonnene Gas ist, anders als etwa Erdgas, vollkommen klimaneutral, weil es aus nachwachsenden Rohstoffen entsteht. Bei der BSR weiß man genau, dass das, was gut fürs Klima ist, nicht schlecht fürs Image sein kann – und triumphiert folgerichtig auf der Website: „Das gewonnene Biogas entspricht 2,5 Millionen Liter Diesel pro Jahr. Insgesamt sparen wir durch die Aufbereitung des Bioabfalls jährlich mehr als 9000 Tonnen CO2.“

Hat die Berliner Stadtreinigung also heimlich und leise die 100-Milliarden- Euro-Frage gelöst, die da lautet: Ist ein nachhaltiger und umweltfreundlicher Automobilverkehr möglich, und wie soll er angetrieben werden? Die kurze Antwort ist: Nein, es ist viel komplizierter. Klar ist aber: Die Dringlichkeit dieser Frage können spätestens seit dem Dieselskandal auch hierzulande selbst die hartnäckigsten Benzinköpfe nicht verhehlen. Und seitdem Elon Musk seine elektrobetriebenen Teslas praktisch vor den Toren der Hauptstadt vom Band laufen lassen will, werden die Sorgenfalten in den Vorstandszimmern in Wolfsburg, Stuttgart oder München noch ein wenig tiefer, ob man nicht doch zu lange am Verbrennungsmotor festgehalten habe.

Doch welche alternative Antriebsart ist die beste? Tatsächlich lässt sich das nicht so einfach beantworten, und genau da liegt das Problem. Denn die vielen unterschiedlichen Technologien, die sich oft auch noch überschneiden und schlimmstenfalls kannibalisieren, sorgen bei den Verbrauchern häufig für Verwirrung. Ein Beispiel: Jüngst feierten die schon oft totgesagten Wasserstoffautos wieder mal ein Revival. Wasserstoffautos sind wie batteriebetriebene Fahrzeuge mit einem Elektromotor ausgestattet und zählen daher zur Elektromobilität. Die Energie liefern hier allerdings Brennstoffzellen. Wasserstoff wird aus einem Tank unter dem Fahrzeuginnenraum in die Zelle geleitet. Dort reagiert er mit Sauerstoff. Diese chemische Reaktion erzeugt Strom und treibt den Motor an. Immerhin, die Kanzlerin ist Fan. Angela Merkel bezeichnete Wasserstoff als „vielleicht aussichtsreichsten Energieträger“, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier pflichtete ihr bei. Man müsse „die Weichen dafür stellen, dass Deutschland bei Wasserstofftechnologien die Nummer eins in der Welt wird“.

Die Vorteile für die Wasserstofffahrzeuge: Während die akkubetriebenen Autos oft über Stunden aufgeladen werden müssen, sind Fahrzeuge mit Brennstoffzellen in nur fünf Minuten wieder vollgetankt. Und auch bei der Reichweite liegen sie vorn, sie können bis zu 500 Kilometer weit fahren (die besten reinen E-Autos kommen ungefähr 300 Kilometer weit). Dass die Spitzenpolitiker gerade diese Technologie nicht abschreiben wollen, liegt auch daran, dass die Antriebe vollständig in Deutschland produziert werden könnten. Die Batteriezellen für das reine E-Auto stammen mittlerweile allesamt aus Asien. Das größte Plus der Brennstoffzelle: Während bei der Herstellung von Akkus tonnenweise Schadstoffe entstehen, ist Wasserstoff per se klimaneutral. Bei der Verbrennung verdampft bloß harmloser Wasserdampf.

Allerdings sind viele Autoexperten wie Ferdinand Dudenhöffer aus Duisburg und Stefan Bratzel aus Bergisch Gladbach beim Thema Wasserstoff viel skeptischer als die Politiker. Und auch die Hersteller, allen voran Volkswagen, haben sich von der Technologie abgewandt. Das Hauptargument gegen Wasserstoff ist der geringe Wirkungsgrad von modellabhängig nur 25 bis 35 Prozent – so wenig bleibt von der eingesetzten Energie übrig, um die Räder anzutreiben. Dazu kommen enorm hohe Entwicklungskosten. Das alles führt dazu, dass ein veritabler Markt für die Technologie nicht existiert. Gerade einmal 386 Wasserstofffahrzeuge sind laut Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland zugelassen. Kein Wunder, wenn ein Exemplar mindestens um die 80 000 Euro kostet. Und wer ein Wasserstoffauto gekauft hat, muss lange nach einer Tankstelle suchen. Derzeit gibt es bundesweit 71.

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