Die Show muss weitergehen

Die Show muss weitergehen


Die sensibelste Phase im Unternehmerleben ist neben der Gründung wohl die Übergabe an die nachfolgende Generation. Neben sorgfältiger Vorbereitung und Kompromissbereitschaft erfordert die Suche nach dem richtigen Kandidaten vor allem eins: Geduld.

Die sensibelste Phase im Unternehmerleben ist neben der Gründung wohl die Übergabe an die nachfolgende Generation. Neben sorgfältiger Vorbereitung und Kompromissbereitschaft erfordert die Suche nach dem richtigen Kandidaten vor allem eins: Geduld.

Text: Patrick Lindner, Foto: Shutterstock

Viele funktionierende Mittelständler brauchen einen Nachfolger. Die KfW hat allein für den Zeitraum 2018 bis 2022 einen akuten Bedarf bei 511 000 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) identifiziert. Deren volkswirtschaftliche Bedeutung ist beachtlich. Im Jahr 2016 beschäftigten sie zwei Millionen Mitarbeiter und erzielten mit rund 311 Milliarden Euro einen Anteil von sieben Prozent am Gesamtumsatz des deutschen Mittelstands. Die meisten Betriebsübergaben sind laut den Analysten in Schleswig-Holstein, Thüringen und Baden-Württemberg zu erwarten. Doch auch in Berlin spielt das Nachfolgemanagement im Mittelstand eine zunehmend wichtige Rolle, bedenkt man, dass rund ein Drittel der hiesigen Unternehmensinhaber über 55 Jahre alt ist. „Wir merken, dass das Bewusstsein, sich rechtzeitig mit der komplexen und nicht immer emotionsfreien Materie zu beschäftigen, im Vergleich zu den vergangenen Jahren zugenommen hat. Das zeigt sich zum einen in der hohen Resonanz bei unseren Veranstaltungen zum Thema Nachfolge. Zum anderen hat sich die Anzahl unserer persönlichen Beratungen nahezu vervierfacht“, berichtet Jana Pintz, Fachberaterin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. Insbesondere der Dienstleistungssektor ist vom Generationswechsel betroffen, gefolgt vom produzierenden Gewerbe und dem Handel.

Gründen oder übernehmen?

Die Vorteile einer Unternehmensübernahme gegenüber einer Neugründung sind schnell benannt: Vor allem in etablierten Branchen mit langen Vertriebszyklen, beispielsweise im Maschinenbau, profitieren Jungunternehmer von der Marktposition ihres neu erworbenen Betriebs und können hierauf aufbauen. Im Idealfall übernehmen sie eine eingespielte Belegschaft mitsamt Equipment, die das Tagesgeschäft zu großen Teilen selbst abwickelt. Hinzu kommt ein fester Kundenstamm, der geregelte Einnahmen ab Tag 1 nach der Übernahme verheißt. Argumente, die auch in der Startup-Hauptstadt Berlin Anklang finden dürften. Denn nicht immer muss Innovation von Neuem aus dem Boden gestampft werden, sie kann auch aus bestehenden Strukturen erwachsen.

Per Klick zum Traumunternehmen

Um die Zahl erfolgreicher Unternehmensübergaben zu erhöhen, haben in Berlin sowohl die IHK als auch die Handwerkskammer (HWK) Nachfolgebörsen ins Leben gerufen, auf denen sich Firmeneigner und Nachfolgekandidaten frühzeitig begegnen können. Das Prinzip ähnelt der Funktionsweise von Onlinedating-Portalen. Mit wenigen Klicks können Inhaber kostenfrei und anonym ein Inserat aufgeben, in dem sie ihr Unternehmen beschreiben. Analog hierzu können potenzielle Käufer ein Gesuch schalten. Weckt ein Angebot Interesse, erfolgt die unverbindliche Kontaktaufnahme per Mail – bei beidseitiger Sympathie kann ein persönliches Kennenlernen stattfinden. Ein unkonventionelles Angebot, das zaghaft wächst. So suchen auf der Unternehmensbörse nexxt-change, einer Verbundinitiative der IHK Berlin, zurzeit 205 Berliner Unternehmen einen Käufer. Bundesweit waren im Januar 2019 6555 Inserate geschaltet.

„Wenn es um die Nachfolgersuche geht, schauen sich die meisten Unternehmer zuerst innerhalb des Familien- und Freundeskreises oder der eigenen Belegschaft um. Erst wenn das nicht klappt, richten sie ihren Blick nach außen und ziehen eine externe Lösung in Erwägung“, erklärt Christine Karut, Betriebswirtschaftsberaterin von der HWK Berlin. Ähnlich wie ihre Kollegin von der IHK verzeichnet auch sie steigende Anfragen zur Nachfolgeberatung. Allein 193 Gespräche drehten sich im vergangenen Jahr um die Unternehmensbewertung. „Die Preisfindungsphase ist bei jeder Nachfolge eine hochsensible Phase. Der Seniorunternehmer möchte sein Lebenswerk übergeben und oft seinen Ruhestand absichern. Sein Nachfolger hingegen hofft auf ein stabiles Unternehmen mit Wachstumspotenzial, dessen Kaufpreis ihm noch genügend Spielraum für Folgeinvestitionen lässt. Gegenseitiges Verständnis ist hier das A und O“, führt Karut aus.

Um die Balance zwischen Herzblutrendite und Finanzierungsbelastung zu finden, sollten sich Inhaber und Interessenten auf eine gemeinsame Strategie einigen. Bei der Bewertung des Unternehmens können unabhängige Experten helfen. So prüfen technische Berater der HWK kostenfrei das Anlagevermögen eines Betriebs und errechnen dessen aktuellen Zeitwert. Zusätzlich liefern Inventurdaten des Material- und Warenlagers nützliche Kennzahlen. Kniffliger wird es beim ideellen Geschäftswert. Hierunter fallen das Renommee des Unternehmens, der Kundenstamm und die Belegschaft mitsamt Qualifikation. Um diesen Wert zu beziffern, kann beispielsweise der durchschnittliche Gewinn aus den vergangenen Jahren herangezogen werden. Auf dieser Datengrundlage lassen sich Gewinnprognosen für die Folgejahre treffen. Ferner kann der Interessent daraus ableiten, welchen Vorteil ihm die Betriebsübernahme gegenüber einer Neugründung verspricht.

Das gemeinsame Finale

Nachdem die finanzielle Hürde erfolgreich gemeistert wurde, beginnt die operative Planung und Umsetzung der Nachfolge. Neben juristischen und fachlichen Aspekten wie Zahlungsfristen, dem konkreten Übergangszeitpunkt des Unternehmens, Rechten an Patenten oder der Haftung bei nachträglichen Reklamationen sollte vor allem ein Kommunikationsfahrplan abgestimmt werden. Und zwar nicht nur an die Kunden: „Mitarbeiter spielen bei der Übernahme eines Unternehmens eine zentrale Rolle. Daher raten wir unbedingt zu einer Übergangsphase, um Belegschaft, Prozesse und Produkte in Ruhe verstehen zu lernen. Der Seniorunternehmer sollte dabei zunehmend als Mentor für seinen Nachfolger auftreten, ohne sich ins Alltagsgeschäft einzumischen. Egal ob es sich um einen internen oder externen Kandidaten handelt“, empfiehlt Christine Karut. „Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren beim Nachfolgemanagement bleibt der Faktor Zeit. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Planung einer Nachfolgestrategie selten früh genug beginnen kann. Durchschnittlich sollte ein Zeitrahmen von fünf Jahren, angefangen mit den ersten Planspielen bis hin zur tatsächlichen Übergabe, angesetzt werden“, ergänzt Jana Pintz. Schließlich ist jede Unternehmensnachfolge ein komplexer Vorgang mit individuellen Stolpersteinen. Das kann man getrost so hinnehmen, solange beide Parteien auf ein Happy End hinarbeiten. Für sich und das Unternehmen.

Gern berät Sie Mirko Nagel, Leiter Family Office der Weberbank, zu Ihrer Nachfolgeplanung. Tel. 030 897 98-241, mirko.nagel@weberbank.de

 

Diesen Artikel empfehlen