„Helfen Anlegern Aktienrückkäufe?“

„Helfen Anlegern Aktienrückkäufe?“


Die Tagesspiegel ANLEGER Frage an Oliver Borgis, Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank.

Die Tagesspiegel ANLEGER Frage an Oliver Borgis, Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank.

Beitrag in Der Tagesspiegel, erschienen am 21.11.2019    Foto: Weberbank

US-Konzerne kaufen derzeit verstärkt ihre eigenen Aktien zurück. Treibt das die Kurse künstlich in die Höhe?

Der Rückkauf eigener Aktien ist der gegenteilige Vorgang zu einer Kapitalerhöhung. Beides kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein und mithin den Wert des Unternehmens steigern. Beides kann aber auch, aus anderen Motiven betrieben, schädlich sein. Der Aktienrückkauf ist aber ungleich schlechter beleumundet und wird teilweise geradezu dämonisiert. Vergleichen wir mal: Bei der Kapitalerhöhung werden zusätzliche Aktien ausgegeben. Das Unternehmen benötigt Kapital für bestimmte Vorhaben, und die finanziert es über langfristiges Eigenkapital. Der Unternehmensgewinn verteilt sich nun auf mehr Aktien, die Gewinnrendite nimmt also zunächst ab. Als Ausgleich für diese Verwässerung seiner Unternehmens- und Stimmrechtsanteile erhält der Aktionär Bezugsrechte. Ob das Ganze den Unternehmenswert und mithin den Aktienkurs erhöht, hängt davon ab, wie erfolgreich die Mittel verwendet werden. Jeder Einzelfall muss für sich bewertet werden.

Beim Aktienrückkauf werden Aktien eingezogen. Dies erfolgt zu Marktpreisen und auf Basis freiwilliger Verkäufe von Aktionären. Natürlich tragen diese Aktien keine Stimmrechte mehr, sie werden vom Markt genommen. Das Unternehmen hat hierfür Geld übrig oder ersetzt teures Eigenkapital durch günstigeres Fremdkapital. Der Unternehmensgewinn verteilt sich nun auf weniger Aktien, die Gewinnrendite steigt also zunächst. Als Ausgleich muss der Aktionär hinnehmen, dass das Unternehmen nun geringere Liquiditätsreserven oder eine höhere Verschuldungsquote hat. Ob das Ganze den Unternehmenswert steigert, hängt davon ab, ob die erhöhte Gewinnrendite des Unternehmens beibehalten werden kann. Im schlimmsten Fall steht Gewinnsucht bis hin zur Mutation des Unternehmens zu einer Art Hedgefonds dahinter. Auch hier: Jeder Einzelfall muss für sich bewertet werden.

Bei niedrigen Zinsen ist es geradezu eine Pflicht der Unternehmenslenker, die optimale Kapitalstruktur der Unternehmung zu prüfen und gegebenenfalls Eigenkapital, das mit vergleichsweise hohen Dividenden bedient werden will, durch günstiges Fremdkapital zu ersetzen. Kritiker monieren, die Unternehmen sollten das Geld lieber produktiv investieren. Ich finde, man darf Privatunternehmen nicht zu Investitionen zwingen, wenn sie selber keine sinnvollere Verwendung sehen, als es den Aktionären zurückzugeben. Die können damit neue Unternehmen finanzieren. Also, ja, Aktienrückkäufe treiben die Kurse in den USA an, aber nicht künstlich.

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