Alice und Kilian Jay von Seldeneck: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Alice und Kilian Jay von Seldeneck: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort


Der Berliner Sammlermarkt wächst rasant. Versteigerer wie das 175 Jahre alte Auktionshaus Lempertz profitieren davon. Am Standort Berlin wagen Alice und Kilian Jay von Seldeneck den Spagat zwischen Tradition und Zukunft – mit großem Erfolg.

Der Berliner Sammlermarkt wächst rasant. Versteigerer wie das 175 Jahre alte Auktionshaus Lempertz profitieren davon. Am Standort Berlin wagen Alice und Kilian Jay von Seldeneck den Spagat zwischen Tradition und Zukunft – mit großem Erfolg.

Text: Michael Fuchs, Foto: Wolfgang Stahr

Drei Jahre lang habe er den Sammler wieder darauf angesprochen, sagt Kilian Jay von Seldeneck. Auf die Vase, diese eine Vase. Auf der die Künstler der Königlichen Porzellanmanufaktur acht Ansichten von Gebäuden Unter den Linden verewigt haben. Die Kratervase, die das preußische Königshaus dem bayerischen Kronprinzen Maximilian zum Geburtstag schenkte. Doch Richard Baron Cohen, Immobilieninvestor und Porzellanliebhaber aus New York, habe sich einfach nicht von ihr trennen wollen. „Im vierten Jahr saßen wir beim Essen zusammen, als er mir plötzlich antwortete: ,Lustig, dass Sie fragen, ich wollte sie jetzt verkaufen.‘“ Sammler, das erzählt diese Geschichte, gehören zu einer ganz eigenen Gattung. Und: Manchmal kommt es darauf an, den richtigen Moment zu treffen, den perfekten Augenblick für etwas. Wer Kunst verkauft, muss ein Gespür dafür haben, wann er gekommen ist. Und nicht nur Auktionator sein, sondern ein wenig auch Psychologe.

Seit sieben Jahren versteigert Kilian Jay von Seldeneck Kunst und Kunsthandwerk in Berlin. Gemeinsam mit seiner Frau Alice führt er die Geschäfte der Berliner Dependance des Auktionshauses Lempertz im Nikolaiviertel. Mit vielen Sammlern ist das Unternehmen, das in diesem Jahr 175 Jahre alt wird, schon seit Jahrzehnten verbunden. Aber es kommen, gerade in Berlin, ständig neue dazu. „Das Spannende an unserem Job ist es, dass man nie weiß, wer gleich durch die Tür kommt“, sagt von Seldeneck, „welche Stücke wir heute sehen, welche Geschichten wir hören werden.“ Warum verkauft jemand ein Gemälde, ein antikes Service oder eine Vase über das Auktionshaus? „Es sind die großen D: Debt, Death, Divorce, Disaster – Schulden, Tod, Scheidung oder ein Unglück. Oder, im positiven Fall, ist es die Dynamik. Wenn sich ein Sammler entschließt zu verkaufen, etwa um seiner Sammlung eine neue Richtung zu geben.“

Dass Richard Baron Cohen nicht nur die Kratervase, sondern auch 322 weitere Stücke seiner berühmten Sammlung von Porzellan aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der „Twinight Collection“, schließlich an zwei Terminen im November 2018 und im April 2019 in Berlin versteigern ließ, war für den Kunstmarkt eine Sensation. Für Lempertz war es ein Meilenstein. Und ein weiterer Beweis, dass man hier am richtigen Ort ist. Zur richtigen Zeit. Das Haus in der Poststraße blickt von der Rückseite direkt auf die Nikolaikirche, nach vorn zum Ephraimpalais. Am Eingang ein imposantes Bücherregal, gut fünf Meter hoch, voller Kataloge und Kunstbände. Am Bogen des Durchgangs zum großen Saal ragt ein Stein aus der weiß verputzten Mauer: ein Relikt aus der Römerzeit, das Lempertz-Inhaber Henrik Hanstein – der Vater von Alice Jay von Seldeneck – hier einbauen ließ, als Verbindungsstück zum Kölner Hauptsitz.

Lempertz ist das älteste Auktionshaus der Welt in Familienbesitz mit Büros in New York, Zürich und São Paulo und Dependancen in Brüssel, München und Berlin. Wenn es um den Verkauf von Porzellan, alten Meistern, Schmuck, afrikanischer und asiatischer Kunst, aber auch um Fotografie und Werke zeitgenössischer Künstler geht, kommt man an Lempertz (Jahresumsatz 54 Millionen Euro) nicht vorbei. „Auf manchen Stücken finden wir Vermerke, dass sie schon ein oder gar mehrere Male durch unsere Hände gegangen sind“, sagt von Seldeneck. Der Markt für Kunst ist bei Weitem nicht so volatil wie der für andere Anlagen. Es geht um Verlässlichkeit, Vertrauen, nicht selten auch Verschwiegenheit. Hier wird manchmal nicht in Jahren gerechnet, sondern in Generationen.

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