Gastbeitrag: Die wichtigsten Fragen zum Milieuschutz – und die Antworten darauf

Gastbeitrag: Die wichtigsten Fragen zum Milieuschutz – und die Antworten darauf


Der Milieuschutz gerät immer mehr zum zentralen Thema in der Immobilienwirtschaft. Dr. Gereon Windelen, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, befasst sich in seinem Beitrag mit dem kommunalen Vorkaufsrecht und seiner Problematik.

Der Milieuschutz gerät immer mehr zum zentralen Thema in der Immobilienwirtschaft. Dr. Gereon Windelen, Rechtsanwalt und Notar in Berlin, befasst sich in seinem Beitrag mit dem kommunalen Vorkaufsrecht und seiner Problematik.

Autor: Dr. Gereon Windelen, Foto: Stefan Widua / Unsplash, Erscheinungsdatum: 6. Oktober 2020

1. Warum hat die Bedeutung des kommunalen Vorkaufsrechts gemäß § 24 BauGB in letzter Zeit zugenommen?

Das liegt vor allem an der massiven Ausweitung der Ausweisung von Milieuschutzgebieten durch die Berliner Bezirksverwaltungen. Während es etwa 2015 lediglich 22 Schutzgebiete gab, sind es heute schon 55. Inzwischen gilt in rund zwei Dritteln der Wohngebiete innerhalb des S-Bahn Rings eine Milieuschutzsatzung. Dies gilt also im Grunde für alle interessanten Wohnlagen in den Berliner Innenstadtbezirken.

Mittlerweile werden zunehmend auch Wohngebiete außerhalb des S-Bahn Rings zu Milieuschutzgebieten erklärt. Ein Nachlassen dieses Trends ist nicht erkennbar.

2. Was ist es Ziel dieses kommunalen Vorkaufsrechts?

Der Gesetzgeber wollte, dass die Kommune eingreifen kann, wenn in Gebieten, die für die Stadt unter besonderer Beobachtung stehen, also Milieuschutzgebiete und auch Sanierungsgebiete, Käufer Mietshäuser erwerben, bei denen die Kommune erwartet, dass sie die für diese Gebiete festgelegten Ziele nicht respektieren. Man wollte also spekulative Käufe oder Käufe durch fragwürdige Immobilieninvestoren verhindern können. Deshalb ist auch in § 24 BauGB festgelegt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts nur zum Wohl der Allgemeinheit erfolgen darf.

Diese als Einschränkung gedachte Regelung wird in Berlin jedoch sehr weit ausgelegt. So wird das Vorkaufsrecht inzwischen etwa auch in Fällen ausgeübt, in denen langfristig denkende Käufer das Objekt für den Familienbestand erwerben wollen. Zum Teil beruht dies auch auf Initiativen der Mieter der betroffenen Häuser, die gerne zukünftig einen öffentlichen Vermieter haben wollen, da sie sich davon in Zukunft niedrigere Mieten versprechen.

3. Was ist eine Abfindungsvereinbarung?

Wenn der Bezirk die Ausübung des Vorkaufsrechts angekündigt hat, gibt er dem Käufer regelmäßig die Möglichkeit, die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Abschluss einer sogenannten Abfindungsvereinbarung zu verhindern. In diesen Vereinbarungen muss sich der Käufer zu erheblichen Einschränkungen hinsichtlich der Bewirtschaftung der Mietshauses verpflichten. So werden Modernisierungen wie beispielsweise der Anbau von Balkonen oder der Einbau von Aufzügen und sogar auch energetische Sanierungen verboten. Die Aufteilung in Eigentumswohnungen wird ausgeschlossen, in der Regel für einen Zeitraum von 20 Jahren. Zudem muss sich der Käufer verpflichten, die Mietpreisgrenzen, auch wenn sie rechtlich umstritten sind, strikt einzuhalten. Hinsichtlich dieser Punkte verlangen die Bezirke das Versprechen von erheblichen Vertragsstrafen bis zu 1 Million €, wobei sich insoweit der Käufer sogar der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen muss. Gerade der letzte Punkt ist für viele Käufer nicht akzeptabel, da sie sich damit dem Bezirk sehr weitgehend ausliefern. Denn sie müssen die Vollstreckung der Vertragsstrafen fürchten, auch wenn sie selbst überzeugt davon sind, rechtmäßig gehandelt zu haben.

4. Warum ist die Ausübung des Vorkaufsrechts auch für den Verkäufer problematisch?

Dass die Ausübung des Vorkaufsrechts für den Käufer unangenehm ist, liegt auf der Hand. Er hat das Objekt geprüft, eine Finanzierung gesichert die Übernahme der Verwaltung organisiert. Dieser Aufwand und diese Kosten sind nun vergeblich.

Auf den ersten Blick würde man denken, dass die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch den Bezirk für den Verkäufer nicht von Bedeutung ist. Er bekommt ja sein Geld, nur von einer anderen Stelle.

Dies ist aber so nicht zutreffend. Schon die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts von zwei Monaten, die übrigens nach den Plänen der Bundesregierung auf drei Monate verlängert werden soll,  führt ja schon zu Verzögerungen.

Weil zudem nach der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde für den Vorkaufsberechtigten erst die notariellen Voraussetzungen für die Kaufpreiszahlung geschaffen werden müssen, gibt es regelmäßig eine mehrmonatige Verzögerung mit der Kaufpreiszahlung. Gibt es Streit um die rechtmäßige Ausübung des Vorkaufsrechts, kann sich die Abwicklung sogar um Jahre verzögern: Der Verkäufer kann wegen der Vormerkungen nicht an einen anderen verkaufen, bekommt aber andererseits jahrelang nicht sein Geld. Dies hat schon zu äußerst unangenehmen Situationen für die Verkäufer geführt, die ja in der Regel den Kaufpreis anderswo benötigen.

5. Kann man in irgendeiner Weise Vorsorge treffen gegen die Nachteile durch die Ausübung des Vorkaufsrechts?

Ja, das ist durch eine geeignete Vertragsgestaltung möglich. Die Ausübung des Vorkaufsrechts bedeutet ja, dass der Vorkaufsberechtigte den Vertrag genauso nehmen muss, wie er zwischen Verkäufer und Käufer abgeschlossen wurde. Wird dort etwa jedwede Haftung für den Zustand des Gebäudes ausgeschlossen, gilt dies auch für den Vorkaufsberechtigten. Der Käufer sollte daher eine ausgiebige Objektprüfung durchführen, sodass der Kaufvertrag selbst keine Zusicherungen zum Zustand des Gebäudes und zu den Mietern mehr enthalten muss.

Verzögerungen in der Abwicklung nach Ausübung des Vorkaufsrechts kann man dadurch vermeiden, indem man in dem Vertrag kurze Fristen verbindlich vereinbart, in denen die Zahlungen durch den Käufer zu leisten sind. Diese Fristen gelten dann auch für den Vorkaufsberechtigten. Werden diese überschritten, kann sich der Verkäufer von dem Vertrag mit dem Vorkaufsberechtigten lösen und den ursprünglichen Vertrag mit dem Käufer erfüllen.

Jeder notarielle Kaufvertrag sollte daher im Einzelfall sorgfältig nach den jeweiligen Interessen von Verkäufer und Käufer ausgestaltet und entsprechend formuliert werden.


Rechtsanwalt und Notar Dr. Gereon Windelen
Foto: Bildschön GmbH

 

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