Originale für jedermann

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Das Ehepaar Stefanie Harig und Marc Ullrich demokratisierte vor 13 Jahren das Galeriewesen und machte Fotokunst für die Allgemeinheit erschwinglich.

Das Ehepaar Stefanie Harig und Marc Ullrich demokratisierte vor 13 Jahren das Galeriewesen und machte Fotokunst für die Allgemeinheit erschwinglich.

Text: Judka Strittmatter, Foto: Jonas Holthaus

Wie sie da so stehen in ihrer Galerie in den Hackeschen Höfen – eine zarte Frau in apartem Kleid und ein großer Mann im Anzug –, haben sie natürlich schon etwas von „Kunst-Hautevolee“. Aber es fehlt ihnen diese Aura, die so aufdringlich schreit: Seht her, ich bin Art Dealer, Kunstkenner! Das liegt vielleicht daran, dass Stefanie Harig und Marc Ullrich, beide Ende 40, nie Galeristen sein wollten, sondern immer „nur“ Unternehmer. Und dass sie eine Geschäftsidee hatten, die ihnen im Jahr 2000 in New York kam, wo sie für ein paar Monate lebten und in ihrer Nachbarschaft immer wieder auf diese alten Pressefotos stießen, die schließlich zu LUMAS führten – ihrem Galeriekonzept, das bis heute eine breite Schicht von Kunstinteressierten erreichen will. Eben Leute, „die sonst Scheuklappen und Schwellenängste hätten, sich in klassische Galerien zu begeben“, wie Marc Ullrich es beschreibt. „Weil sie sich nicht für gebildet oder reich genug halten.“

Kunsthistorikerin trifft Selfmademan

Ihre LUMAS-Idee verdichtete sich in Berlin, das Stefanie Harig und Marc Ullrich schon seit Anfang der Neunziger Heimat kannten und wo sie sich im PR-Geschäft kennengelernt hatten. Sie aus dem Saarland kommend, er aus Gütersloh. Sie, studierte Kunsthistorikerin und PR- Fachfrau, die mit 23 Jahren ihre eigene Agentur gegründet hatte und Kunden wie McKinsey und das Familienministerium beriet. Er, ein Selfmademan, der mit 17 durchsetzte, dass ihn der Bürgermeister seiner Heimatstadt vorzeitig für geschäftstüchtig erklärte, damit er seine erste Firma gründen konnte. Der neben dem Gymnasium Computerspiele vertrieb und acht Angestellte bezahlte. In New York hatte er einen Job als Unternehmensberater, und sie hatte gerade ihre PR- Firma verkauft und beriet Freunde an der Upper East und West Side in Interieurfragen. Ihr guter Geschmack, geschult durch Elternhaus, Arbeit und Studium, hatte sich herumgesprochen.

Von der Idee zum weltweiten Filialisten

„Den Sieger erkennt man am Start“, heißt es im Filmklassiker „Es war einmal in Amerika“ von Sergio Leone – die Harig-Ullrichs hatten einen blendenden Start. Als Paar und als Unternehmer. Am Wannsee renovierten sie mit Anfang 30 eine marode, denkmalgeschützte Bauhaus-Villa und führten ihre beiden Doggen spazieren. Nach der Rückkehr aus New York powerten sie los: Heute ist LUMAS weltweit im Filialsystem aufgestellt, von Bielefeld bis Moskau, mit 47 Galerien und dem gewinnbringenden Prinzip, eine Edition nicht nur aus drei oder fünf Abzügen bestehen zu lassen, sondern aus 75 bis 150. Und den Preis entsprechend moderat zu gestalten. Ab 250 Euro kann der Kunde bei LUMAS glücklich werden. Und bei WhiteWall, einem weiteren Geschäftskonzept der Harig-Ullrichs, das professionelle Labore anbietet, um eigene Bilder drucken und rahmen lassen. Die Marken LUMAS und WhiteWall werden in diesem Jahr 50 Millionen Euro umsetzen.

Der Kunstmarkt und die Umsätze

Natürlich hatte damals, vor 13 Jahren, keiner auf das Ehepaar und seine Idee gewartet. Im Gegenteil, in der Kunstbranche fasste man sie mit spitzen Fingern an, Dünkel und Herablassung regneten auf sie nieder. Man sah sie als eine Art Billigheimer, die das exklusive und hochpreisige Galeriegeschäft nur verwässern oder sogar beschädigen könnte. Ihr Erfolg hat das freilich längst geändert, auch Galeristen haben inzwischen begriffen, dass ein Kunstmarkt mehrere Umsatzmodelle verträgt. Und dass mit LUMAS ein niedrigschwelliges Angebot existiert, mit dem sich Neulinge und Jungsammler gewinnen lassen, die später dann auch in klassischen Galerien kaufen. Nicht umsonst hat mancher Galerist inzwischen versucht, den Harig-Ullrichs einen Künstler abzuwerben. LUMAS als Sammlerschule – für das Unternehmerpaar hat diese Philosophie funktioniert.

Die Träume von Erfolgsmenschen

160 Künstler mit insgesamt 1400 Werken vertritt LUMAS heute, darunter so berühmte Namen wie David LaChapelle, Damien Hirst oder Robert Lebeck. Natürlich hätte Stefanie Harig, die schon als Kind mit dem kunstinteressierten Vater Galerien abschritt, gern eine Koryphäe wie Gerhard Richter im Portfolio, schließlich besteht dieses neben den Fotografien zu 23 Prozent aus Kunstdrucken. Auch ohne ihn kann sie gut leben. Und wird es müssen. Aber selbst Erfolgsmenschen dürfen Träume haben. Sie und ihr Mann sind von der Sorte Leute, die nicht lockerlassen. Oft haben sie es erlebt, dass ein neu entdeckter Künstler erst Nein, drei Jahre später aber doch Ja sagte.. „Das haben wir vor allem am Anfang gemerkt, als wir LUMAS aufgebaut haben“, sagt Marc Ullrich. „Da hieß es oft: Ich mach nur mit, wenn der oder die dabei ist, oder ich mach nur mit, wenn der oder die nicht dabei ist!“ Bis die Unternehmer ihr initiales Portfolio zusammenhatten, dauerte es 18 Monate, sechs waren eingeplant.

Ein Jahr lang auf Weltreise

Auch die Harig-Ullrichs verstehen den Sinn einer gewissen Exklusivität. Und so drehte sich bei ihnen in den letzten 13 Jahren eigentlich alles nur ums Business. „Etwas disziplinierter sind wir erst durch die Geburt unserer Töchter geworden“, sagt Stefanie Harig. Die sind auch schon ganz gut auf Kurs. Noch ziemlich klein, räumten sie ihren Kaufmannsladen leer, um Platz zu schaffen für ihre selbst gemalten Bilder, die sie dann an die Verwandtschaft ver- äußerten. Weil ihre tüchtige Mutter viel arbeitete und sie entweder un- ter ihrem Schreibtisch abstellte oder der Kinderfrau überließ, sollten sie dann aber doch etwas „Quality Time“ mit den Eltern bekommen. Also ging es 2015 für die ganze Familie ein Jahr lang auf Weltreise. 16 Länder schafften sie, und natürlich besuchten sie Galerien und Museen. Wobei ihnen eines im tasmanischen Hobart am besten gefiel.

Neue Herausforderungen warten schon

Es könnte aber auch sein, dass diese Weltreise ein großes In-sich-Gehen der Eltern war. Denn die Harig-Ullrichs werden sich neuen Herausforderungen stellen – LUMAS ist seit 2013 verkauft. „Für Serial Entrepreneurs, wie wir uns wohl heute nennen dürfen“, sagt Marc Ullrich, „waren wir doch ziemlich lange dabei.“ Heute gehört ihnen nur noch ein Viertel der Firma. Marc Ullrich ist im Beirat und hat dort „eine sehr aktive Rolle“, wie er selber sagt. Sie werden weitergehen. Das haben sie immer getan. Nur die Kunst, die wird bleiben.

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