Eine Kunst für sich

Eine Kunst für sich


Sie ist die weltweit größte Institution ihrer Art: die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre historischen Gussformen, die aus bis zu 10.000 Einzelteilen bestehen, erwecken Kunstwerke zu neuem Leben. Auch jene, deren Original als verloren gilt oder zerstört wurde.

Sie ist die weltweit größte Institution ihrer Art: die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre historischen Gussformen, die aus bis zu 10.000 Einzelteilen bestehen, erwecken Kunstwerke zu neuem Leben. Auch jene, deren Original als verloren gilt oder zerstört wurde.

Text: Anke Bracht, Foto: Stefan Kramer / Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin

Von Seilen umschlungen, auf eine Matratze gebettet, liegt das aus vielen Teilen zusammengesetzte Objekt auf dem Werkstatttisch. Mit schnellen, konzentrierten Bewegungen schleudert ein Mann die breiige weiße Masse in das hohle Innere, verstreicht sorgfältig das Material. Kaum vorstellbar, dass hier gerade die Reproduktion einer Büste in vollem Gang ist. Nur wenige Stunden später werden die Mitarbeiter der Gipsformerei den Korpus aus der Form bergen, ihn auf Fehler prüfen, seine Oberfläche glätten und das gute Stück dem Auftraggeber überlassen. Dann geht es an die nächste Bestellung – denn über Aufträge kann man hier nicht klagen. „Wir sind schon eine etwas exotische Institution“, sagt Miguel Helferich. Seit neun Jahren leitet er die Gipsformerei – und erzählt so begeistert über seinen Wirkungsort, als habe er dessen Existenz gerade erst für sich entdeckt. „Zum einen sind wir eine Manufaktur und produzieren Kunstgegenstände – für unseren Shop, aber auch für Auftraggeber wie Museen und Ausstellungsmacher. Zum anderen sind wir Teil der Staatlichen Museen zu Berlin und für die Reproduktionen in den Museen zuständig.“

Die Kunst der Gipsformerei stammt aus Italien

Die Kunst der Gipsformerei, wie sie in Berlin zur Perfektion gebracht wird, ist das Erbe eines italienischen Gipskunstformers, der vor rund 200 Jahren aus dem italienischen Carrara an die Spree kam und sein Wissen weitergab. Das Archiv der Manufaktur beherbergt historische Kernstückformen, die bis in diese Zeit zurückreichen. An die 7.000 Skulpturen, Reliefs und Stuckarbeiten lassen sich mit ihnen reproduzieren. „Beim Pergamon-Fries können wir 50 von 100 laufenden Metern nachbilden. Die Form hierfür besteht aus 10.000 Einzelteilen“, sagt Helfrich. „Diese Kernstückformen stammen von 1890. Das heißt: Unsere Reproduktion ist ein ‚haptischer Zeitzeuge’. Sie zeigen den Fries im Jahre 1890.“

Zu jeder Form existiert ein Mastermodell

Auch wenn es nicht immer tausende Einzelteile sind, so gleicht die Vorbereitung für einen Gipsabguss einem spannenden Puzzle, denn die einzelnen Stücke sind nicht nummeriert. Zudem müssen sie gesäubert und zum Teil restauriert werden. „Da kann es schon mal einen Monat dauern, bis die Form gussfähig ist“, sagt Miguel Helferich. Die historischen Gipsformen sind speziell behandelt, mit Schelllack behandelt und in Wachs getränkt. Ob ein Abguss gelungen ist, zeigt dann der Abgleich mit dem „Mastermodell“. „Es ist unser ‚analoges Back up’“, so Helfrich, „wenn die Reproduktion irgendwo ein Bläschen aufweist und wir finden dies auch beim Mastermodell, haben wir keinen Fehlguss, sondern ein Objekt, genau wie es sein soll.“

Der Gips für die Objekte stammt aus dem Harz

Das Team der Gipsformerei besteht aus 26 Mitarbeitern, weltweit einmalig. „Wir sind die letzten unserer Art“, konstatiert Miguel Helfrich, „unseren Vorläufer im Louvre gibt es noch, aber die Formen sind schlecht gepflegt und die Abteilung hat keine Bedeutung mehr. In Brüssel gibt es ebenfalls noch eine Gipsformerei, aber die haben nur drei Mitarbeiter und befassen sich mit kleineren Stücken.“ Seine Mitarbeiter stammen aus dem Modellbau, sind Glocken- und Bronzegießer. Auch Skulpturenmaler – man denke an die Büste der Nofretete –, Fassbildner und Schlosser gehören zum Team. „Große Objekte – das ist ja unsere Spezialität – oder Statuen, bei denen ein Faltenwurf, ein Bein oder ein Arm abstehen, brauchen ein Stahlgerüst“, erklärt Helfrich. Den Gips für die Arbeiten, das verrät er noch, bezieht die Manufaktur aus dem Harz. Man habe auch im Ausland – darunter in Ägypten – nach passendem Material gesucht und sei schließlich in Deutschland fündig geworden. Trotzdem, manchmal muss es etwas mehr sein: „Wenn wir eine Marmorstatue reproduzieren, kommt auch immer ein wenig Marmorstaub in den Gips“, sagt Miguel Helfrich. Das klingt nach Liebe zum Detail – und nach einer Kunst für sich.

Für Fragen und weitere Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung: Luzi Teber, Leiterin Marketing und Kommunikation, Weberbank Actiengesellschaft, Tel.: (030) 897 98 – 380, luzi.teber@weberbank.de

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