Faszinierende Welt der alten Meister

Faszinierende Welt der alten Meister


Der Kaiser Friedrich Museumsverein zählt zu den ältesten Kunstvereinen Europas und hat sich seit Anbeginn ganz der Kunst alter Meister verschrieben. Die vereinseigene Gemälde- und Skulpturensammlung, deren hochkarätige Exponate in der Gemäldegalerie und im Bode Museum gezeigt werden, bereichert die Kunstmetropole Berlin auf einmalige Weise (v.l.n.r.: Christina Wüstling, Dr. Brigit Blass-Simmen, Dr. Hans-Jürgen Meyer).

Der Kaiser Friedrich Museumsverein zählt zu den ältesten Kunstvereinen Europas und hat sich seit Anbeginn ganz der Kunst alter Meister verschrieben. Die vereinseigene Gemälde- und Skulpturensammlung, deren hochkarätige Exponate in der Gemäldegalerie und im Bode Museum gezeigt werden, bereichert die Kunstmetropole Berlin auf einmalige Weise.

Text: Katharina Hummert, Foto: Saskia Uppenkamp

Die Handflächen der alten Frau weisen nach oben, die rechte hat sie vorsichtig unter den Arm des Mädchens gelegt. Ihr Blick, traurig und stolz zugleich, verliert sich im Nirgendwo. „Sarah führt Abraham Hagar zu“ ist ein Werk des bedeutenden niederländischen Malers Matteus Stom. Opulent und farbgewaltig, mit Licht und Schatten spielend, stellt der Barockkünstler eine der Schlüsselszenen des Alten Testaments dar. Vielen Besuchern der Gemäldegalerie dürfte das um 1645 entstandene Gemälde bekannt sein – es ist eines von mehreren Caravaggisten-Werken, die in Raum IX als Gruppe komponiert sind. Gleichzeitig ist das Kunstwerk ein Neuerwerb. Wie kann das sein? „Im kommenden Jahr feiern wir unser 125 jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass und gemäß unseren Zielen als Förderverein für die Gemäldegalerie und die Skulpturensammlung wollten wir einen ‚großen Ankauf‘ tätigen“, sagt Dr. Brigit Blass-Simmen, Kunsthistorikerin und seit 2011 im Vorstand des Kaiser Friedrich Museumsvereins (KFMV). „Im April 2019 hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz fünf Kunstwerke an die Erben des Berliner Kunsthändlers Heinrich Ueberall restituiert, darunter dieses Gemälde. Die Erbengemeinschaft ließ es im Sommer des Jahres durch Sotheby’s in London versteigern.“ Sie macht eine Pause. „Mithilfe zinsloser Darlehen ist es uns gelungen, uns dieses Kunstwerk für 700 000 Euro zu sichern“, sagt Blass-Simmen, „danach begann – wie bei allen Ankäufen – die Ansprache potenzieller Spenderinnen und Spender. Durch Kauf restituierter Werke den Bestand der Sammlungen zu erhalten ist für den Verein eine neue Herausforderung. Besonderer Dank gilt hier der großzügigen Unterstützung durch die Friede Springer Stiftung.“

Die pragmatische Vorgehensweise sagt viel aus über einen Verein, der sich im Laufe seines Bestehens immer wieder neu positionieren musste, ohne seine Prinzipien oder Ziele infrage zu stellen. Gegründet wird der KFMV 1897 durch Wilhelm von Bode, den „Bismarck der Berliner Museen“. Es ist nicht allein die Kunstsinnigkeit, die ihn treibt, vielmehr hat der hochgeschätzte Kunstkenner ein Problem: Der europäische Markt für Altmeister ist hart umkämpft, doch von Bode ist beauftragt, Gemälde und Skulpturen für das 1904 unter seiner Direktion eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum – heute Bode-Museum – zu erwerben. Sein Plan ist es, ein handlungsfähiges und finanzkräftiges Gremium zu schaffen, das solche Ankäufe ermöglicht. Die Resonanz ist überwältigend. Zu den Gründungsmitgliedern zählen James Simon, der bedeutendste Mäzen der Berliner Kaiserzeit, weitere Persönlichkeiten der Berliner Gesellschaft – Bankiers, Fabrikanten, Gutsbesitzer, Kunstschaffende – sowie Kaiser Wilhelm II. Die Mitgliedsbeiträge sind hoch und ermöglichen den Erwerb weltberühmter Werke wie „Der Mann mit dem Goldhelm“, das bereits im Gründungsjahr in die Sammlung eingeht. Viele wichtige Zeugen der europäischen Kunstgeschichte sollten folgen, heute umfasst die Sammlung des KFMV 122 Gemälde und mehr als 160 Skulpturen. Als Dauerleihgabe in der Gemäldegalerie am Kulturforum und im Bode-Museum auf der Museumsinsel inspirieren sie Besucher aus aller Welt.

Doch der KFMV kennt nicht nur gute Zeiten. Mehr als die Hälfte der Mäzene sind ab 1933 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft der Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt. Viele Vereinsmitglieder verlieren ihre Existenz – nicht wenige ihr Leben. Beim Brand des Flakbunkers Friedrichshain, in den Teile der Museumssammlungen zum Schutz ausgelagert worden sind, gehen im letzten Kriegsjahr 13 Gemälde aus Vereinsbesitz verloren. Auch 43 Skulpturen können nicht gerettet werden. Nach der Kapitulation Deutschlands bringt die amerikanische Militärverwaltung Gemälde und Skulpturen zum „Central Collecting Point“ nach Wiesbaden – eine Rückkehr nach Berlin scheint fraglich. Doch der KFMV klagt in einem Musterprozess um den „Mann mit dem Goldhelm“ auf Rückgabe seiner Werke und bekommt recht: Im September 1953 eröffnet die Ausstellung „Kunstwerke des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins“ im Dahlemer Museum unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter. Diese Ausstellung wird für die Rückkehr aller ehemals preußischen Kunstschätze eine entscheidende Wende, die 1957 in der Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gipfelt. Und der KFMV? Nutzt seine Chance im Nachkriegsdeutschland.

War die Geschichte des Vereins bereits spannend, so ist es die Jetztzeit nicht weniger. „Natürlich wollen wir unsere Sammlung weiterentwickeln und Gemäldegalerie und Bode-Museum damit unterstützen“, sagt Rechtsanwalt und Unternehmensberater Dr. Hans-Jürgen Meyer, Schriftführer beim KFMV, „aber wir müssen auch darauf reagieren, dass die Strukturen und Kommunikationsformen heute andere sind als in der Kaiserzeit. Wir müssen diese Form der Kunst sichtbar machen, die Begeisterung für alte Meister in der Gesellschaft verankern. Nur so wird es möglich sein, auch künftig Mäzene und Multiplikatoren zu gewinnen.“ Deshalb sei es nur folgerichtig gewesen, 2010 die „Jungen Kaiser“ ins Leben zu rufen, so Meyer. Die Gruppierung richtet sich an Kunstbegeisterte zwischen 18 und 35 Jahren. Ein eigenes Veranstaltungsprogramm und eine jährliche mehrtägige Reise bilden die inhaltliche Ausrichtung der Jungen Kaiser, die seit Gründung auf mehr als 100 Mitglieder angewachsen sind. Christina Wüstling vom Team Junge Kaiser engagierte sich bereits während ihres Studiums der Kunstgeschichte für den KFMV und bringt als „Sprecherin Kommunikation mit dem Vorstand“ die Ideen der jungen Mitglieder in das Vorstandsgremium ein. Etwa die erste Crowdfunding-Aktion des Kunstvereins im Mai 2016 : „Ziel war es, innerhalb von 30 Tagen 3500 Euro für die Finanzierung eines Rahmens einzuwerben“, erzählt Christina Wüstling. Die frühe Kopie des Triptychons „Versuchung des heiligen Antonius“ nach Hieronymus Bosch war von dem Jungen Kaiser Bertram Lorenz im Rahmen seiner Diplomarbeit restauriert worden. „Wir haben die 3500 Euro so schnell erreicht, dass wir beschlossen haben, auch für eine weitere Bosch-Kopie einen Rahmen zu finanzieren, und den Betrag auf 6000 Euro erhöht. Auch dieses Ziel wurde erreicht.“

Hieronymus Bosch, Rembrandt van Rijn, Johann Heinrich Tischbein der Ältere – ein Besuch der Gemäldesammlung gleicht einer Begegnung mit dem Who’s who der alten Meister. „Es gibt zwei Gemälde, denen sage ich immer Guten Tag, wenn ich in der Galerie bin“, sagt Brigit Blass-Simmen, „Tizians ‚Venus mit dem Orgelspieler‘ und Bellinis ‚Auferstehung Christi‘.“ Doch es sei nicht nur die Schönheit der Werke, sondern auch deren Bezug zur Gegenwart, die sie fasziniere: „Alte Meister sind nicht alt, sie haben immer auch eine zeitgenössische Aussage“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des KFMV, „nur wissen das vielleicht zu wenige. So hat Gerhard Richter einmal – sinngemäß – gesagt, Malen habe er bei Tizian gelernt.“ Sie sehe es als Aufgabe des Vereins, die Aussagekraft der alten Meister und ihre Relevanz für die Gegenwart noch stärker zu kommunizieren.

Das Jubiläumsjahr 2022 werde hierzu reichlich Gelegenheit bieten, sagt Hans-Jürgen Meyer: „Wir werden einen Kongress ausrichten, der sich mit der Zukunft des Mäzenatentums befassen wird, die Vorbereitungen dazu laufen schon. Zudem bringen wir einen neuen Sammlungskatalog heraus, der die Brücke schlägt zwischen alten Meistern und Gegenwart.“ Über eine weitere Aktion freue man sich im Verein besonders: „Wir unterstützen die große Donatello-Ausstellung, die für das kommende Jahr in der Gemäldegalerie geplant ist.“ Und dann, sagt Kunsthistorikerin Blass-Simmen, sei da ja auch noch die Rückkehr von „Sarah führt Abraham Hagar zu“, der bildgewaltigen Komposition Matteus Stoms. Ein schöneres Geburtstagsgeschenk, da sind sich die drei Mitglieder einig, kann es für den Kaiser Friedrich Museumsverein wohl kaum geben.

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